Gas kann Grün | #HBEnergie-Expertenbeitrag von Stephan Kamphues

Titelbild: Gas kann Grün | #HBEnergie-Expertenbeitrag von Stephan Kamphues

Wir sehen Deutschland gerne als den Musterschüler. Unsere Autos sind die tollsten, unser Bier  schmeckt am besten und Fußballweltmeister sind wir sowieso. Auch in Sachen grüner Energie zeigen wir den anderen Ländern gerne, wo es langgeht. Schließlich haben wir die Energiewende erfunden. Kein anderes Land unternimmt so viele Anstrengungen, seine Energieversorgung nachhaltig auf erneuerbare Energien umzustellen ‒ und redet so viel darüber. Bei allen Anstrengungen hat das Ganze nur einen Haken: Die Treibhausgasemissionen in Deutschland wollen einfach nicht sinken. Seit 1990, der Stunde null der klimapolitischen Zeitrechnung, sind die Treibhausgasemissionen in Deutschland um rund 28 Prozent gesunken, der Großteil davon ist auf den Zusammenbruch der ostdeutschen Industrie zurückzuführen. In den letzten drei Jahren hat es nahezu keine Veränderungen gegeben. Sein Ziel, die Treibhausgasemissionen bis 2020 um 40 Prozent gegenüber 1990 zu senken, wird Deutschland deutlich verfehlen.

Seit dem Jahr 2000 sind rund 230 Milliarden Euro über die Erneuerbare-Energien-Umlage für  die Förderung erneuerbarer Energien geflossen. Und ja, es hat tatsächlich viel bewirkt. Im Jahr 2016 lag der Anteil der Träger erneuerbarer Energien an der Deckung des Stromverbrauchs bei 31,7 Prozent. Im Jahr 2000 waren es nur 6,5 Prozent. Ein beachtlicher Erfolg! Doch warum sinken die Emissionen nicht? Einer der Hauptgründe dafür ist, dass ungeachtet aller Erfolge der Erneuerbaren bei der Stromerzeugung die Verstromung von Braun- und Steinkohle weiterhin einen Anteil von 40 Prozent ausmacht. Während wir uns also auf der einen Seite Jahr für Jahr über neue Zuwachsraten der regenerativen Energien freuen, lassen wir es auf der anderen Seite zu, dass die CO2-emissionstärkste Form der Stromerzeugung weiterhin floriert.

Um es einmal deutlich zu sagen: Die Energiewende ist notwendig, wir müssen unser  Energiesystem auf eine klimaneutrale Grundlage stellen. Doch wie es momentan läuft, läuft es falsch. Statt weiter wie bisher nur darauf zu schauen, möglichst viele Wind- und Solaranlagen  aufzustellen, sollten wir das Energiesystem als Ganzes betrachten und versuchen, grüne  Energie – und nicht nur grünen Strom – in alle Verbrauchssektoren zu bringen. Dabei sollten wir  uns zwei simple Fragen stellen. Erstens, wie viel Emissionsreduzierung erreichen wir mit dem eingesetzten Geld? Die Energiewende ist teuer, die bekommen wir nicht umsonst, deshalb müssen wir bei jedem ausgegebenen Euro vorher fragen, wie viel CO2 reduziert werden kann. Zweitens sollten wir die uns zur Verfügung stehenden Energieinfrastrukturen ansehen und fragen, wie wir mit diesen Infrastrukturen grüne Energie transportieren können. Denn neben dem Stromnetz verfügen wir in Deutschland über eine weitere Energieinfrastruktur, die in der Debatte um die Energiewende leider oft zu kurz kommt, und zwar das Gasnetz. Mit dem  Gasnetz steht uns eine leistungsfähige Infrastruktur zur Verfügung, mit der wir alle Verbrauchssektoren, von der Wärme über die Industrie bis hin zum Verkehrssektor, mit grüner  Energie versorgen können. Mit den an das Gasnetz angeschlossenen Speichern lässt sich diese Energie zudem dauerhaft und in großem Stil speichern. Die Schlüsseltechnologie dazu heißt
Power-to-Gas. Indem wir erneuerbaren Strom mithilfe der Power-to-Gas-Technologie in Wasserstoff oder in einem zweiten Schritt in synthetisches Methan umwandeln, stellen wir grüne Gase her, mit denen wir unsere Häuser heizen und unsere Autos betanken können. Wir können diese Gase in den industriellen Prozessen verwenden und aus ihnen wiederrum Strom erzeugen. Durch eine intelligente Verknüpfung der Strom- und Gasinfrastruktur können wir nicht nur die drängendste Frage der Energiewende, nämlich die nach einer dauerhaften  Energiespeicherung, lösen, wir sparen gleichzeitig jede Menge Geld. Das Gasnetz und die dazugehörigen Speicher sind bereits vorhanden. Ihr Einsatz kann die Kosten für den geplanten
Ausbau der Stromnetze deutlich senken.

Doch auch wenn die Vorteile dieser intelligenten Verknüpfung der Strom- und Gasinfrastruktur mithilfe der Power-to-Gas-Technologie deutlich auf der Hand liegen, erschweren regulatorische Hemmnisse ihren Durchbruch. Power-to-Gas-Anlagen gelten aktuell als Letztverbraucher und müssen daher sämtliche Abgaben und Umlagen für den Strom bezahlen. Folglich ist der durch Power-to-Gas erzeugte Wasserstoff bzw. das synthetische Methan auf dem Energiemarkt nicht konkurrenzfähig. Aus diesem Grund sollte die Power-to-Gas-Technologie auch von den Umlagen, Abgaben und Steuern, die im Zusammenhang mit der Erzeugung, dem Transport oder Verbrauch von Energie stehen, weitestgehend ausgenommen werden. Auch die Investitionskosten für die Errichtung neuer Power-to-Gas-Anlagen sollten, sofern sie höhere Kosten für den Ausbau der Stromnetze vermeiden, als umlagefähig anerkannt werden. Hier muss die Politik dringend handeln.

Über:

kamphuesStephan Kamphues ist Sprecher der Geschäftsführung der Vier Gas Transport GmbH.
@OpenGridEurope


Dieser Artikel ist Teil unseres digitalen Magazins „Schnittstelle Energie Vol. 2 – Interaktive Insights zur Energiewirtschaft“. Es erwartet Sie Querschnitt durch die wichtigsten aktuellen Themen in der Branche, wie:

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