Es kommt Bewegung in die Energiewende

Es kommt Bewegung in die Energiewende

von Andreas Feicht

Es ist auch der Zuverlässigkeit und Anpassungsfähigkeit der deutschen Energiebranche zu verdanken, dass die deutsche Wirtschaft die Herausforderungen der Corona-Krise bewältigen kann. Nun nimmt das Wirtschaftsleben wieder Fahrt auf und auch das Tempo der Energiewende beschleunigt sich.

Europa will 2050 der erste klimaneutrale Kontinent werden. Mit unseren Partnern in der Europäischen Union haben wir dafür das ambitionierte Ziel gesetzt, die Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2030 um 55 Prozent gegenüber 1990 zu senken.

Deutschland bleibt dabei Vorreiter der Energiewende. Wir haben das Ziel der Treibhausgasneutralität schon für das Jahr 2045 festgeschrieben, fünf Jahre früher als auf europäischer Ebene. Das ist eine große Herausforderung. Doch wir haben auch große klima- und energiepolitische Fortschritte gemacht, und unser Ziel für das Jahr 2020, die Treibhausgase um 40 Prozent zu mindern, erfüllt. Gleichzeitig stammten 2020 bereits 45 Prozent des in Deutschland erzeugten Stroms aus Erneuerbaren Energien. Damit haben wir – auch im europäischen Vergleich – eine starke Ausgangssituation für unsere zukünftigen Ziele geschaffen.

Als klimaneutrales Industrieland wollen wir Nachhaltigkeit und Wohlstand miteinander verbinden, und auch die wirtschaftlichen Chancen der Energiewende nutzen. Dafür bedarf es einer tiefgreifenden Transformation beim Einsatz von Energie in allen Wirtschaftssektoren.

Wir müssen deshalb die Energiewende jetzt als Wärme-, Verkehrs- und Industriewende in die Breite tragen. Wichtige Weichen haben wir bereits gestellt. Wir haben erstmals eine nationale CO2-Bepreisung für den Wärme- und Verkehrsbereich eingeführt und mit einer Carbon-Leakage-Verordnung flankiert, um die Wettbewerbsfähigkeit unserer energieintensiven Unternehmen zu erhalten. Gleichzeitig machen wir durch die Senkung der EEG-Umlage die Nutzung von Strom in anderen Sektoren attraktiver. Ich gehe davon aus, dass sie im Jahr 2022 spürbar unter 6,0 ct/kWh und damit auf dem niedrigsten Stand seit 2013 liegen wird. Hier werden wir aber noch weiter gehen, und alle Möglichkeiten zur Senkung des Strompreises prüfen.

Technologien zur Sektorkopplung müssen wir skalierbar machen. Für einen schnellen Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft haben wir eine Einstiegsregelung für reine H2-Netze geschaffen und grünen Wasserstoff von der EEG-Umlage befreit. Darüber hinaus fördern wir Wasserstoffprojekte im Rahmen der EU-weiten „Important Projects of Common European Interests“ mit über acht Milliarden Euro. Auch in Batterien „Made in Germany“ investieren wir fast drei Milliarden Euro und bauen eine europaweite Wertschöpfung für Batterien auf – von Rohstoffen bis Recycling.

Wir brauchen auch einen geeigneten europäischen Rahmen mit ambitionierten Zielen für die Treibhausgasreduktion und den Ausbau erneuerbarer Energien, sowie einem starken Emissionshandel. Wichtig sind auch Flexibilität bei sektor- und technologiespezifischer Förderung, grenzüberschreitende Kooperation und Instrumente für effektiven Schutz vor Carbon Leakage. Die Europäische Union sollte zum Leitmarkt für die klimafreundlichen Technologien der Zukunft werden. Dafür werden wir uns bei den Verhandlungen des „Fit-For-55“-Pakets, welches die Europäische Kommission am 14. Juli vorgelegt hat, einsetzen.

Auch über Europa hinaus müssen wir Partner für den klimafreundlichen Umbau unserer Industrie gewinnen.

Einerseits wollen wir den Aufbau globaler Wasserstofflieferketten mit deutscher Technologie unterstützen, zum Beispiel mit dem Importförderinstrument H2Global. Andererseits ist internationale Kooperation auch wichtig, um bei der Bepreisung von CO2-Emissionen auf den Weltmärkten ein „level playing field“ herzustellen, zum Beispiel durch eine Klimaallianz von Staaten, die Leitmärkte für emissionsarme Produkte schaffen.

Zwingende Voraussetzung für all diese Veränderungen ist die zuverlässige und günstige Verfügbarkeit von Strom aus erneuerbaren Energien. Deshalb müssen wir ihren Ausbau forcieren, und zügig die Hemmnisse bei der Planung und Genehmigung von Windenergieanlagen lösen. Dazu gehört auch, dass die nötigen Flächen zur Verfügung gestellt werden. Beim Netzausbau hat uns die Novellierung des  Bundesbedarfsplangesetzes ein großes Stück vorwärtsgebracht. Auch hier liegt unsere Aufmerksamkeit jetzt darauf, dass die Projekte – auch bei den Genehmigungsverfahren in den Behörden – zügig vorankommen.

Für die Energiebranche haben Innovation und vorausschauende Planung immer eine wichtige Rolle gespielt. Wenn wir die politischen Rahmenbedingungen richtig setzen, bin ich sicher, dass sie für den Erfolg der Energiewende weiterhin der starke Motor sein wird.

Die Europäische Union sollte zum Leitmarkt für die klimafreundlichen Technologien der Zukunft werden.

 

Andreas FeichtAndreas Feicht
Staatssekretär
Bundesministerium für Wirtschaft und Energie

 

Dieser Artikel ist im aktuellen Handelsblatt Journal „Energiewirtschaft“ erschienen.

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