Die Energiebranche muss smarter werden

Die Energiebranche muss smarter werden

Bereits heute sind 97 Prozent der erneuerbaren Energien und über die Hälfte der
Erzeugungskapazitäten in Deutschland an die Verteilnetze angeschlossen. Während die
erneuerbaren Energien schrittweise ausgebaut werden, erfolgen Investitionen in die Netzinfrastruktur nicht in dem Tempo und Umfang, wie es eigentlich notwendig wäre.

„Big Data“ gewinnt an Bedeutung

von Hans-Joachim Reck

Die entscheidende Herausforderung auf der Verteilnetzebene besteht darin, die dezentrale Energieerzeugung zukünftig durch moderne Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) intelligent zu vernetzen.

Unter dem Stichwort „Big Data“ nehmen IKT in den Strategien und Anwendungsgebieten der kommunalen Energieversorger eine zunehmende Bedeutung ein – so auch beim Ausbau der Verteilnetzebene. Die Verteilnetze haben übrigens einen entscheidenden Anteil, dass Deutschland bei der Versorgungssicherheit – mit Ausfallraten von nur 15,3 Minuten pro Jahr – im europäischen Vergleich führend ist.

Und 60 Prozent der Verteilnetze – das sind 650.000 Kilometer – werden von kommunalen
Netzbetreibern bewirtschaftet. Damit halten sie die Infrastruktur in Deutschland am Laufen. Aufgrund des steigenden Anteils der erneuerbaren Energien und deren fluktuierende Einspeisung ist die Verteilnetzebene bereits heute zunehmend ein Nadelöhr der Energiewende und stößt verstärkt an ihre Kapazitätsgrenzen. Abgesehen von den Offshore-Windparks wird der Anschluss der zukünftigen dezentralen Erzeuger nahezu vollständig auf der Ebene der Verteilnetze stattfinden.

Um die Vielzahl der dezentralen Erzeuger als „virtuelle Kraftwerke“ über alle Größenklassen hinweg einzubinden, brauchen wir Smart Grids. Stadtwerke und ihre Verteilnetzbetreiber stehen vor der Aufgabe, die Verteilnetze zu „intelligenten Netzen“ auszubauen, um weiterhin das hohe Maß an Versorgungssicherheit aufrecht zu halten.

Flexibilität im Energiesystem

Neben dem wichtigen Beitrag zur Systemstabilität können lokale und regional intelligent gesteuerte Netzinfrastrukturen auch dazu beitragen, Energieeffizienzpotenziale zu heben. Über die „intelligenten Netze“ lassen sich Erzeugung und Verbrauch optimal aufeinander abstimmen und Überspeisung vermeiden. Zudem werden durch ein intelligentes Netzmanagement zukünftig verschiedenste Speichermöglichkeiten, zum Beispiel Kühlhäuser oder Elektrofahrzeuge, als „virtuelle Stromspeicher“ für die Lastschwankungen der dezentralen, virtuellen Kraftwerke dienen.

Durch die Kombination von intelligenten Zählern mit einer intelligenten Steuerung von Groß- und Mittelverbrauchern sowie hinterlegten last- und zeitvariablen Tarifen ergeben sich neue Möglichkeiten, neben den virtuellen Kraftwerken auch virtuelle Speicher zu schaffen und sinnvoll in die Netzsteuerung einzubinden. Die zunehmende Bedeutung des Themas „Flexibilität im Energiesystem“ wird die Wettbewerbsfähigkeit der kommunalen Energieversorgungsunternehmen stark beeinflussen. Durch den Einsatz intelligenter Technologien können entscheidende Wettbewerbs- und Kostenvorteile entlang der Wertschöpfung erzielt werden. In diesem Zusammenhang spielen Kooperationen
zwischen kommunalen Energieversorgungsunternehmen eine immer größere Rolle.

Laut einer VKU-Umfrage im März 2013 sind beim Aufbau oder entsprechenden Planungen von Smart Grid 24 Prozent der befragten Unternehmen Kooperationen eingegangen. 49 Prozent planen solche Kooperationen. Dabei ist mit 62 Prozent die Mehrheit der Kooperationspartner überwiegend in kommunaler Trägerschaft oder in kommunaler Hand (17 Prozent). Der entscheidende Vorteil von Kooperation: Know-How teilen und Synergien nutzen.

hb-journal

Den Beitrag von Hans-Joachim Reck finden Sie in der Januar-Ausgabe des Handelsblatt Journal Energiewirtschaft, das Sie HIER gratis herunterladen können.

Die Fachbeilage bietet Ihnen viele spannende Beiträge – Sie finden unter anderem Artikel zu den Themen:
– Energiewende
– Innovationen
– Energieeffizienz
– Unternehmenskultur
– Netze
– Gas
– Erneuerbare Energien
Jetzt kostenlos downloaden

 

Vom Energieversorger zum Energiedienstleister

Die Nutzung von IKT nimmt nicht für den Netzausbau, sondern auch für den Unternehmenserfolg kommunaler Unternehmen insgesamt einen immer größeren Stellenwert ein. Neben der Entwicklung, Modernisierung und Sicherung der kommunalen Infrastruktur ist auch die Erschließung neuer Geschäftsfelder wichtig. Hierbei müssen die Stadtwerke mittelfristig aufpassen, dass sie nicht von branchenfremden Unternehmen mit deren Produkten an bisher nicht geahnter Stelle
Konkurrenz bekommen.

Der Kunde von morgen wird nicht alleine anhand des Preises seinen Stromversorger auswählen. Laut einer aktuellen VKU-Umfrage zur Bedeutung smarter Technologien bei kommunalen Unternehmen sind neben dem Netzbetrieb (63 Prozent) der Vertriebsbereich und das Kundenmanagement (78 Prozent) und die Logistik (38 Prozent) die häufigsten Einsatzgebiete von IKT. Allein mit dem klassischen Energiegeschäft werden die Stadtwerke langfristig ihr Portfolio nicht bestreiten können.

Auf der Suche nach Alternativen bietet der Markt für Energiedienstleistungen
interessante Chancen der Geschäftsfelderweiterung – auf dem Weg vom Energieversorger zum Energiedienstleister. Eine Schlüsselrolle spielen vor allem Smart-Home-Techniken – also die digitale Vernetzung im gesamten Haushalt. Der VKU-Umfrage
zufolge beschäftigt sich bereits jedes dritte der befragten Stadtwerke mit Smart-Home-
Dienstleistungen und sieben Prozent bieten konkrete Produkte an.

Umsetzung des IT-Sicherheitskataloges

Von den kommunalen Unternehmen werden die größten Herausforderungen beim Einsatz von IKT in den kommenden Jahren bei den Themen Datenschutz und -sicherheit sowie Gewinnung qualifi zierter Mitarbeiter gesehen. Vor allem das Thema IT-Sicherheit ist vor dem Hintergrund des Schutzes Kritischer Infrastruktur relevant.

Mit dem aktuellen Entwurf zum IT-Sicherheitsgesetzes (ITSiG) hat die Bundesregierung einen wichtigen Vorstoß gemacht, gemeinsam mit der Branche IT-Mindestsicherheitsstandards zu entwickeln. Die sind notwendig, um angemessene Systeme, Komponenten und Prozesse gemäß der Größe und Leistungsfähigkeit der Unternehmen und Betriebe zu schaff en. Allerdings müssen die vorgesehenen Berichtspflichten und organisatorischen Auflagen nochmals genau betrachtet werden.

Der Gesetzentwurf macht aus Gründen der Verhältnismäßigkeit Ausnahmen für besonders kleine Unternehmen – es kann nicht sein, dass die kommunalen Unternehmen von dieser sinnvollen Regelung ausgenommen wurden! Der VKU engagiert sich hier gemeinsam mit seinen Mitgliedsunternehmen bei der weiteren Ausgestaltung des IT-Sicherheitskataloges und insbesondere bei der
Umsetzung des für Energieanlagen- und Netzbetreiber maßgeblichen IT-Sicherheitskataloges.

Die Stadtwerke werden in den nächsten Jahren verstärkt auf die neuen Herausforderungen und Möglichkeiten der digitalen Welt eingehen müssen, um ihre hohen Marktanteile auch in der Zukunft zu haben.

Hans-Joachim Reck, Hauptgeschäftsführer des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU)
Der Autor:
Hans-Joachim Reck ist Hauptgeschäftsführer des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU)

Tags: , ,