Die zweite deutsche Energiewende darf nicht scheitern | #hbenergie-Expertenbeitrag von Detlef Neuhaus (Solarwatt)

Die zweite deutsche Energiewende darf nicht scheitern | #hbenergie-Expertenbeitrag von Detlef Neuhaus (Solarwatt)

Detlef Neuhaus, geschäftsführender Gesellschafter, Solarwatt GmbH

Die Bundesregierung bremst die Energiewende weiter aus. Das wird leider durch das neue Erneuerbare-Energien-Gesetz wieder deutlich. Anstatt die passenden regulatorischen Maßnahmen zu ergreifen, um den Ökostrom-Ausbau weiter voranzutreiben, sichert die große Koalition rund um Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel den Fortbestand von Kohle und Erdgas. Der Ausbau der Erneuerbaren wird künstlich verlangsamt, beispielsweise indem Obergrenzen für den Ausbau von grünem Strom formuliert werden. Doch neu ist das nicht: Die konventionellen Energiequellen wurden schon jahrzehntelang durch den Staat gefördert – und das hat sich augenscheinlich bis heute nicht verändert.

Gerade die Solarindustrie hatte in den vergangenen Jahren immer wieder damit zu kämpfen, dass die deutsche Regierung die Grundregeln für den Ausbau von Photovoltaik innerhalb kürzester Zeit grundlegend veränderte. Zu Beginn der 2010er Jahre fehlte der Bundesregierung schlichtweg der Mut, die Energiewende mit aller Kraft und allen Konsequenzen voranzutreiben. Also wurde der Förderstecker gezogen und wichtige Großprojekte stark eingeschränkt. Die schwarz-gelbe Koalition zerstörte quasi über Nacht einen ganzen Industriezweig. Mittlerweile ist bekannt wie die Geschichte weitergegangen ist: China ist neuer Marktführer im PV-Massenmarkt und die deutsche Solarindustrie lag jahrelang am Boden. Die erste deutsche Energiewende war gescheitert.

Doch die Branche hat das weggesteckt. Sie hat sich selbst neu erfunden – trotz Gegenwind aus der Politik. Die Erneuerbaren sind noch immer ein wichtiger Industriezweig, der Arbeitsplätze beispielsweise in strukturschwächere Regionen bringt. Laut einer Studie des Bundeswirtschaftsministeriums haben die erneuerbaren Energien allein in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen 50.000 neue Jobs gebracht. Das wird gerne übersehen. Es wäre daher wünschenswert, wenn der Ausbau von Ökostrom nicht weiter künstlich gedrosselt würde: wie beispielsweise durch das Bremsen von Windkraftwerken an Land oder das Besteuern des Eigenverbrauchs bei Solaranlagen ab 10 kWp. Schon heute ist die dezentrale Energieversorgung in unserer vernetzten Gesellschaft auch wirtschaftlich sinnvoll.

Bisher lag der Fokus beim Ausbau von Sonne, Wind, Wasser und Biogas vorrangig auf der reinen Stromerzeugung, um die konventionellen Energieerzeuger zukünftig durch Ökostrom ersetzen zu können. Doch jetzt findet ein Wandel statt. Wir stehen aktuell vor der zweiten großen Energierevolution: der Gewinnung und sinnvollen Verteilung des dezentral erzeugten Ökostroms. In diesem Bereich liegt auch eine neue Chance für die deutsche Energiewirtschaft, die verloren gegangene Innovationsführerschaft wieder zurückzuerobern. Im Mittelpunkt steht dabei die Entwicklung sicherer, hocheffizienter und transparenter Energiesysteme, die aus leistungsfähigen PV-Modulen, intelligenten Energiemanagement-Systemen und wirtschaftlichen Batteriespeichern bestehen. Das Fraunhofer Institut ISE hat beispielsweise bereits vor mehreren Jahren nachgewiesen, dass Batteriespeicher in Kombination mit einer PV-Anlage für eine Entlastung der Stromnetze sorgen. Dadurch können die Kosten des Netzausbaus deutlich verringert werden. Um die Entwicklung dieser Energiesysteme weiter voranzutreiben und weiter auf die Zukunft auszurichten, bedarf es allerdings Planungssicherheit. Der Gesetzgeber muss verlässliche Rahmenbedingungen auf regulatorischer und juristischer Ebene schaffen; auch im Hinblick auf zukünftige Technologien wie die Schwarmstrom-Technik, variable Strompreise oder virtuelle Kraftwerke.

Die deutsche Solarindustrie benötigt einen sicheren Innovations- und Forschungsrahmen, um in die entsprechende Technologie-Entwicklung investieren zu können. Auch für wichtige Innovationstechniken müssen gesetzliche Standards entstehen: So darf beispielsweise der aufstrebende Speichermarkt nicht wie vor einigen Jahren der Solarmarkt mit Billig-Produkten und Dumping-Angeboten überschwemmt werden, deren Hersteller sich nicht um Schlüsselkriterien wie Sicherheit und Effizienz scheren. Sollte es aufgrund der Nichtbeachtung von sicherheitsrelevanten Kriterien zu Unfällen oder Bränden kommen, würde eine gesamte Technologie in Misskredit geraten. Auch hier sind klare und strenge Regulierungen sinnvoll, beispielsweise in Form eines gesetzlichen Sicherheitsleitfadens. Denn nur wenn die Spielregeln für alle beteiligten Unternehmen klar sind, werden die Solarunternehmen schon heute in der Lage sein, nachhaltige und wirtschaftliche Innovationen für die Zukunft zu entwickeln. Und nur dann kann die Energiewende nicht nur ein ökologischer sondern auch ein ökonomischer Erfolg werden.

Newsletter Energiewirtschaft 02/2016

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