Die Energiewende ist keine Einbahnstraße | #HBEnergie-Expertenbeitrag von Matthias Trunk

Die Energiewende ist keine Einbahnstraße | #HBEnergie-Expertenbeitrag von Matthias Trunk

von Matthias Trunk

Eine sorgfältige Analyse technischer Varianten der Sektorkopplung sind das Gebot der Stunde [*]

In den aktuellen energiepolitischen Diskussionen, wie zum Beispiel im Grünbuch Energieeffizienz, entsteht der Eindruck, dass die Klimaziele offensichtlich nur durch die weitgehende Elektrifizierung des Gebäude- und Verkehrssektors umgesetzt werden können.

Dabei sollte man nicht vergessen, dass die Stärke unseres Energiesystems auch im Wettbewerb und in der Vielfalt der Infrastrukturen aus Strom-, Gas- und Fernwärmenetzen liegt. Eine Vorfestlegung auf ein System würde diese Stärke allerdings verspielen. Auch und insbesondere unter Kostengesichtspunkten sind Fragezeichen zulässig.

Das zeigt ein Blick auf die Dimensionen, die mit einer „all electric“ Strategie verbunden wären: Die Stromnachfrage wird voraussichtlich infolge der Sektorkopplungen trotz Effizienzverbesserungen deutlich steigen. Und weil die Ausbauziele der erneuerbaren Energien am Stromverbrauch ausgerichtet sind, wird deren Stromproduktion in Zukunft auch stark zunehmen. Ohne große Sprünge bei Batteriespeichern wäre ein Stromnetzausbau unvermeidlich und weitere Akzeptanzprobleme gegenüber der Energiewende vorprogrammiert.

Als Beispiel für eine intelligente Verzahnung der Sektoren können auch die Möglichkeiten der gut ausgebauten Gasnetze dienen. Denn die können deutlich mehr als nur Erdgas transportieren und verteilen. Mithilfe von Power-to-Gas lässt sich EE-Strom in Form von Wasserstoff bzw. Methan im Gasnetz speichern. Damit können Gebäude mit grünem Gas beheizt und Fahrzeuge betankt werden – und zwar jederzeit witterungsunabhängig.

Und auch das sollte nicht vergessen werden: In Berlin beispielsweise stehen noch ca. 70.000 teilweise sehr alte Ölheizungen in den Kellern. Wenn diese durch Erdgasheizungen ausgetauscht würden, könnten kurzfristig mehr als 600.000 Tonnen CO2 pro Jahr ohne großen Aufwand eingespart werden – bei Einsatz von Bio-Erdgas noch erheblich mehr.

Eine sorgfältige Analyse unterschiedlicher technischer Varianten der Sektorkopplung sind also das Gebot der Stunde. Es bleibt zu hoffen, dass für die nächsten Schritte der Energiewende diesmal ein technologieoffener, marktorientierter „Suchprozess“ stattfindet, so dass die Verbesserungs- und Entwicklungspotenziale des Energieträgers Erdgas und seiner Infrastruktur sinnvoll genutzt werden können. Dabei gewinnen alle: das Klima, die Kunden und der Investitionsstandort.

Über den Autor:

Matthias Trunk
Matthias Trunk, Vorstand, GASAG Berliner Gaswerke Aktiengesellschaft.
[*Featured Article]

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