Der Import grüner Energien gehört auf die Agenda

Interview mit Hildegard Müller, Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie (VDA)

Damit die Klimatransformation der Automobilbranche gelingt, muss Deutschland massiv in erneuerbare Energien investieren. Das allein reicht aber nicht. Auch Energiepartnerschaften mit Lieferländern sind erforderlich.

Frau Müller, die Automobilbranche investiert viel in die CO2-neutrale Transformation, vor allem in neue Elektromodelle. Sehen Sie die Zukunft der Automobilität allein in Elektromobilität und Wasserstoffantrieben?

Im Pkw-Bereich liegt die Priorität eindeutig bei der Elektromobilität. Die deutschen Hersteller und Zulieferer sind inmitten der Transformation. Bis 2025 investieren sie rund 150 Milliarden Euro in Zukunftstechnologien und die Digitalisierung, allen voran in die Elektromobilität. Bei schweren Antrieben ist die Lage dagegen nicht so eindeutig, da spielt auch Wasserstoff eine Rolle. Und insbesondere mit Blick auf den Pkw-Bestand brauchen wir auch die synthetischen Kraftstoffe, hergestellt aus erneuerbaren Energien. Nur damit können die weltweit rund 1,5 Mrd. Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor klimaneutral betrieben werden. Hierfür brauchen wir auch den Import von grüner Energie über neue Energiepartnerschaften. Dazu muss die neue Bundesregierung ambitioniert neue Rohstoff- und Handelsverträge schließen. Das Thema gehört weit oben auf die politische Agenda.

Die Klimawende gelingt nur, wenn der erforderliche Strom auch mit erneuerbaren Energien stammt. Und der für gesamte Mobilität und Wirtschaft erforderliche Ökostrom wird in den kommenden Jahren in Deutschland aber nicht verfügbar sein. Wo sehen Sie da eine Lösung?

Es ist entscheidend, dass wir in dieser Debatte ehrlich sind und uns nichts vormachen. Wir haben in Deutschland nicht die Menge an erneuerbaren Energien, die wir brauchen. Da besteht enormer Handlungsdruck. Zur Ehrlichkeit gehört auch dazu, dass die bisherigen Anstrengungen nicht ausreichen. Das bedeutet: Deutschland muss massiv in erneuerbare Energien investieren, Planungs- und Genehmigungsverfahren außerordentlich beschleunigen, Netze ausbauen.
Und – ich erwähnte es schon – wir werden erneuerbare Energie importieren müssen. Fakt ist: Energiepolitik ist, genauso wie auch Rohstoffpolitik, immer auch Außenpolitik. Das ist ein Thema, das Ministerin Baerbock schnell angehen muss, denn die weltweiten Märkte für Rohstoff- und Energiepartnerschaften werden schon verteilt – aktuell noch ohne Deutschland. Wenn wir hier nicht schnell handeln, gehen wir leer aus. Ohne diese Partnerschaften kann die Transformation nicht gelingen.

Welche Rolle sollten die Energieversorgungsunternehmen bei der Produktion und Verteilung der grünen Energie spielen?

Klar ist: Die Klimaziele werden nur erreicht, wenn der Hochlauf alternativer Antriebe und der Elektromobilität, den die Autoindustrie mit Rekordinvestitionen vorantreibt, mit einem massiven Ausbau der erneuerbaren Energie einhergeht. Dazu gehört auch ein ambitionierter Einstieg in die Wasserstoffwirtschaft. Wir sind an einem Punkt, an dem es nicht mehr um das „Ob“ der Transformation geht, sondern um das „Wie“. Wir teilen ein gemeinsames Ziel, nämlich schnellstmöglich klimaneutrale Mobilität zu realisieren. Dazu müssen jetzt alle Beteiligten die Ärmel hochkrempeln und sich fragen, was sie dazu beitragen können, damit dieses große Projekt gelingt. Wir als Autoindustrie sind da natürlich gefordert – und gehen tatkräftig voran. Aber auch die Politik und viele weitere, wie zum Beispiel bei der Ladeinfrastruktur die Energie- und Mineralölbranche, sind jetzt am Zug. Dabei muss auch die erforderliche Lade- und Wasserstoffinfrastruktur für schwere Nutzfahrzeuge berücksichtigt werden. Wir alle sind gefordert, Wachstum, Wohlstand und Klimaschutz als gemeinsame und verpflichtende Aufgabe anzunehmen.

Was sind Ihre Erwartungen an die Energiepolitik der neuen Bundesregierung?

Die Ampel steht vor riesigen Herausforderungen und legt ein ambitioniertes Programm für die nächsten Jahre vor. Entscheidend ist, dass es der neuen Regierung gelingt, Klimapolitik so zu gestalten, dass sie Wirtschafts-, Wohlstands- und Arbeitsplatzmotor ist. Und diese Politik sozial so auszugestalten, dass die Gesellschaft die Transformation unterstützt und mitzieht. Mobilität ist Teilhabe, sie muss auch in der Zukunft für jeden zugänglich und bezahlbar sein. Der Wandel wird uns allen viel abverlangen, umso mehr müssen wir ihn gemeinsam gestalten. Die Transformation darf die Gesellschaft keinesfalls weiter spalten und Konfliktlinien verstärken. Deswegen sind konstruktiver, offener Dialog und soziale Ausgestaltung entscheidend. Wir wollen nachhaltige, individuelle und bezahlbare Mobilität für alle. Für unterschiedliche Lebensrealitäten braucht es differenzierte Lösungen. Die Regierung muss beim Thema Energie und Bezahlbarkeit überprüfen, inwieweit Steuern und Abgaben reformiert werden können. Die EEG-Umlage aus dem Strompreis zu nehmen, ist dabei ein erster Schritt in die richtige Richtung.

Die Fragen stellte Sabine Haupt