Das „Neue Normal“ der Energiewende – Umgang mit Engpässen in Großprojekten

Töpelt

von Henrik Töpelt

Die gegenwärtige Energiekrise übt enormen Handlungsdruck auf Unternehmen und Politik aus. Denn bei der Transformation hin zu einer klimaneutralen Energieversorgung sind schnelle Fortschritte in allen Handlungsfeldern notwendig. Dies gilt nicht nur für derzeitig priorisierte Bereiche wie den Neubau von LNG-Terminals und deren Infrastruktur, sondern gleichermaßen für den Ausbau der Stromnetze, den Zubau erneuerbarer Energien, den schnellen Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft und insbesondere für die chronisch vernachlässigte Wärmewende.

Bei der Vielzahl von parallelen Investitionsvorhaben werden Engpässe das „neue Normal“ – sei es bei Fachkräften, Material oder Kapazitäten der ausführenden Firmen. Umso wichtiger ist es, die Erfolgsfaktoren für Projekte unter unsicheren Randbedingungen zu kennen und konsequent anzuwenden.

Datenmanagement als zentrale Grundlage

Digitalisierung gilt oft als Patentlösung. Jedoch führen diverse Faktoren zu unerwarteten Hürden, insbesondere in Großprojekten. Bei der Implementierung neuer Software-Anwendungen wird meist unzureichend auf das bestehende Umfeld und bereits eingesetzte IT-Tools geachtet. Häufig sind zudem zu spezifische Erwartungen an die Funktionen neuer Anwendungen problematisch. Zumeist fehlen in Großprojekten auch Strategien für ein ganzheitliches Datenmanagement.

Wird strategisches Datenmanagement frühzeitig geplant und umgesetzt, ergeben sich schnell Vorteile in der Koordination von Gewerken und in der Kontrolle des Projektfortschritts. Eine solide Grundlage für den Einsatz zukunftsfähiger Arbeitsmethoden und die Verknüpfung von Datenbanken entsteht nur durch strukturiertes Datenmanagement. Folglich werden für große bis sehr große Projekte integrierte Datenmodelle angestrebt. Dadurch lässt sich die Abhängigkeit zwischen einzelnen Teilprojekten bestmöglich managen und eine echte „Single Source of Truth“ für die Daten des Projekts etablieren.

Projektmanagement als Stabilisator

Mit zunehmender Projektkomplexität gewinnen klassische Management- und Steuerungsansätze nochmals an Bedeutung. Dazu zählen zum Beispiel ein schlankes Besprechungswesen, einfache Reporting-Strukturen und ein effizientes Entscheidungs- und Änderungsmanagement. Dies alles muss in eine klare und zweckmäßige Projektorganisation eingebettet sein.

Für mehrjährige Vorhaben ist es sehr wichtig, früh Vergabestrategien zu erarbeiten und sich auf die Beschaffung von Komponenten mit langer Lieferzeit zu konzentrieren. Genauso ist ein umfassendes Risikomanagement unverzichtbar. In der Bauphase haben sich mittlerweile auch Arbeitsmethoden wie das Lean Construction Management etabliert.

Weiche Faktoren wie Projektkultur als Erfolgsgaranten

Großprojekte sind häufig durch komplizierte Strukturen und eine Vielzahl von Schnittstellen gekennzeichnet. Zudem weichen die Interessen der Stakeholder voneinander ab. Nur in den wenigsten Fällen entsteht eine konstruktive Kultur der Zusammenarbeit zwischen Auftraggeber und den Vertragspartnern im Projekt. Allerdings führt nur eine positive Kultur dazu, dass sich die Beteiligten maximal mit den übergeordneten Projektzielen identifizieren – und sich entsprechend dafür einsetzen, diese zu erreichen.

Steigender Termindruck erfordert „Fast-Track-Ansätze“

Auch in Zukunft wird der Fachkräftemangel anhalten und damit die termingerechte Umsetzung zahlreicher Energiewende-Projekte erschweren. Gleichermaßen werden Engpässe bei der Verfügbarkeit von Materialien, Baufirmen und Anlagenlieferanten zur Regel. Die „Fast-Track-Option“ wird trotz erschwerter Randbedingungen insbesondere in Großprojekten immer wichtiger. Das bisherige Tempo beim Ausstieg aus konventionellen Energien reicht schlicht nicht aus. Entscheidend ist daher, ob das Beschleunigungspotenzial digitaler Ansätze in Projekten wirklich gehoben wird. Auch kommt es darauf an, dass die Projektverantwortlichen einfachste Steuerungs- und Managementmethoden konsequent anwenden, ohne weiche Faktoren wie eine gemeinsame Projektkultur aus den Augen zu verlieren. Nur dann ist das Optimum im jeweiligen Projekt-Setup zu erreichen.

 

Der Autor

Henrik Töpelt, Head of Energy und Associate Partner, Drees & Sommer SE

 

Drees & Sommer: Innovativer Partner für Beraten, Planen, Bauen und Betreiben.

Als führendes europäisches Beratungs-, Planungs- und Projektmanagementunternehmen begleitet Drees & Sommer private und öffentliche Bauherren sowie Investoren seit über 50 Jahren in allen Fragen rund um Immobilien und Infrastruktur – analog und digital. Durch zukunftsweisende Beratung bietet das Unternehmen Lösungen für erfolgreiche Gebäude, renditestarke Portfolios, leistungsfähige Infrastruktur und lebenswerte Städte an. In interdisziplinären Teams unterstützen die über 4.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an weltweit 51 Standorten Auftraggeber unterschiedlichster Branchen – so auch die Energieerzeugung, -verteilung und -speicherung, das Verkehrswesen (Straße/Schiene/Luft) sowie die Abwasser- und Abfallbehandlung.

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