CO2 unters Meer statt in die Luft.

Mit blauem Wasserstoff auf dem Weg zur Klimaneutralität

Autorin: Nina Scholz, Country Manager Germany, Equinor

Um die deutschen Klimaziele zu erreichen, müssen wir in allen Bereichen CO2-Emissionen stark reduzieren. Eine große Herausforderung wird dabei die Industrie, die für mehr als 20 Prozent der deutschen Emissionen verantwortlich ist. Durch den Einsatz erneuerbarer Energien, Verbesserung der Energieeffizienz, den Einsatz der Kreislaufwirtschaft und den Umstieg auf Wasserstoff ergreift die Industrie bereits viele Maßnahmen, um die CO2-Emissionen signifikant und zeitnah zu reduzieren.

Wohin mit schwer vermeidbaren Emissionen?

Diese Möglichkeiten stehen jedoch nicht allen Teilen der Industrie zur Verfügung. Es gibt industrielle Verfahren in der Chemie- und Zementindustrie, bei denen prozessbedingte CO2-Emissionen entstehen, die sich nicht vermeiden lassen. Bei der Zementherstellung wird beispielsweise zerkleinerter Kalkstein bei etwa 1.450 °C zum Zwischenprodukt Zementklinker gebrannt. Bei diesem Prozess entstehen Branntkalk und CO2. Ohne diese chemische Reaktion ist jedoch die Zementherstellung nach heutigem Stand nicht möglich.

Insbesondere bei diesen schwer vermeidbaren Treibhausgasemissionen kann die Technologie der CO2-Abscheidung und -Speicherung eine Lösung sein. Das Ziel ist hier: CO2 direkt beim Emittenten, zum Beispiel einer Industrieanlage, aus Gasgemischen wie chemischen Prozessströmen, Abgasen oder auch aus der Luft abzuscheiden und einzufangen, zu komprimieren, es via Schiff oder Pipeline abzutransportieren und dauerhaft unterirdisch zu speichern, damit das Treibhausgas nicht in die Atmosphäre gelangt. Die Technologie dahinter ist nicht neu. Equinor ist Pionier in diesem Bereich und speichert bereits seit mehr als 25 Jahren CO2 dauerhaft und sicher unter dem Grund der norwegischen Nordsee.

Jahrzehntelange Erfahrung mit CO2-Speicherung

Das CO2 wird in einer Tiefe von mehr als tausend Metern unter dem Meeresgrund in besonders gut geeignete Gesteinsschichten (sogenannte saline Aquifere) oder in erschöpfte Öl- und Gasfelder sicher verpresst. Durch seismische Kontrollen und konstantes Druck-Monitoring kann die Speicherstätte und das Verhalten des gespeicherten CO2 jederzeit überwacht werden. Die Analysen werden den zuständigen Behörden übermittelt. Darüber hinaus werden die Speicherstätten regelmäßig fachlich inspiziert. Equinor hat auf diese Weise bereits über 26 Millionen Tonnen CO2 sicher gespeichert, ohne dass ein Austritt oder eine Druckerhöhung beobachtet werden konnte.

Die Erfahrungen aus bisherigen Speicherprojekten ebnen den Weg für eine Umsetzung in industriellem Maßstab: Gefördert durch den norwegischen Staat und in Zusammenarbeit mit den Partnern Shell und TotalEnergies entwickelt Equinor die erste frei zugängliche Infrastruktur für CO₂-Transport und -Speicherung für industrielle Emittenten in ganz Europa. „Northern Lights“ heißt das Projekt und soll bereits 2024 in Betrieb gehen.  Durch diese Infrastruktur werden auch deutsche Industriekunden ihre CO2-Emissionen nach Norwegen transportieren und dort sicher speichern können. Die CO2-Speicheranlage verfügt ab 2024 über eine geplante Einspeicherkapazität von 1,5 Millionen Tonnen pro Jahr und soll ab etwa 2026 auf 5 bis 6 Millionen Tonnen pro Jahr ausgebaut werden. Und auch in Zukunft können noch weitere Speicherstätten die CO2-Emissionen der europäischen Industrie einlagern: Im Frühjahr dieses Jahres erhielt Equinor die Konzession für die Entwicklung der CO2-Speicher „Smeaheia“ in der Nordsee und gemeinsam mit Vår Energi und Horisont Energi „Polaris“ in der Barentssee. Die CO2-Speicherkapazität in „Smeaheia“ kann auf bis zu 20 Millionen Tonnen jährlich ausgebaut werden.

Eine Wertschöpfungskette für schwer vermeidbare Industriemissionen

Equinor arbeitet zudem gemeinsam mit Wintershall Dea an der Entwicklung einer umfassenden und sicheren Wertschöpfungskette für die Abscheidung, den Transport und die Speicherung von CO2 und dem Aufbau einer Infrastruktur, die Deutschland und den norwegischen Kontinentalsockel verbindet. Insgesamt entspricht das Speicherpotential der Nordsee mit 160 Gigatonnen den derzeitigen industriellen CO2-Emissionen Europas über 75 Jahre.

Als Teil von Equinors Strategie, bis 2050 ein klimaneutrales Unternehmen zu werden, haben wir uns als Ziel gesetzt, bis 2035 die Kapazität zur Speicherung von 15 bis 30 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr zu entwickeln. Im Rahmen der deutsch-norwegischen Energiepartnerschaft kann Equinor mit diesem Projekt und langjähriger Erfahrung der deutschen Industrie bei der Dekarbonisierung tatkräftig unterstützen. Ein wichtiger Baustein auf dem Weg zu Netto-Null-Emissionen.