3-D-Modellierung von Umspannwerken | #hbenergie-Expertenbeitrag von Bentley Systems Germany

3-D-Modellierung von Umspannwerken | #hbenergie-Expertenbeitrag von Bentley Systems Germany

Informationsgewinn senkt Betriebskosten

von von Hagen Lotz & Andreas Stolpe, Bentley Systems Germany GmbH

Im Zuge der Energiewende müssen viele Umspannwerke modernisiert und umgebaut werden, damit sie den neuen Betriebsanforderungen infolge veränderter Energieflüsse genügen. Das gelingt umso effektiver, je genauer die Netzbetreiber den Ist-Zustand kennen. Dabei helfen dreidimensionale (3-D) Modelle, wie sie Bentley Systems auf verschiedene Weise erzeugen kann. Werden diese 3-D-Modelle intelligent gemacht und mit anderen Systemen verbunden, entsteht auch für Wartung, Instandhaltung und Betriebsführung eine nachhaltig vorteilhafte Prozessunterstützung.

Die Energiewende verändert die Strombranche. Kern- und Kohlekraftwerke, die meist in der Nähe von großen Verbrauchsschwerpunkten errichtet wurden, gehen vom Netz. Neue Stromerzeugungsschwerpunkte sind der Norden Deutschlands und die Nordsee, wo viel Windenergie geerntet werden kann. Darüber hinaus wird landesweit Strom aus Windkraftanlagen und unzähligen Photovoltaikanlagen dezentral und auf allen Spannungseben fluktuierend eingespeist. Das alte Top-Down-Prinzip beim Stromfluss verliert mehr und mehr seine Gültigkeit.

Veränderte Stromflüsse sicher organisieren

Insbesondere die Netze stehen durch diesen Umbruch vor großen Herausforderungen. Sie müssen erweitert, umgebaut, erneuert und intelligent gemacht werden, um die sich wandelnden Stromflüsse sicher bewältigen zu können. Das gilt auch für Umspannwerke. „Unsere Marktanalysen zeigen, dass hier großer Handlungsbedarf besteht“, sagt Hagen Lotz, Regional Director Utilities bei Bentley Systems. Der Anbieter von Software für das Management von Infrastrukturen will die Netzbetreiber bei diesem Modernisierungsprozess mit innovativen 3-D-Visualisierungstechniken unterstützen.

Umspannwerke sind ein zentraler und besonders komplexer Bestandteil der Netzinfrastruktur. Arbeiten daran oder auch nur eine Begehung der Anlagen setzen oft eine Abschaltung voraus, was viel organisatorischen Aufwand bedeutet und hohe Kosten verursacht. Dies zu reduzieren, verspricht eine 3-D-Visualisierung der Anlagen. „Bislang wird die Anlagendokumentation hierzulande sehr unterschiedlich gehandhabt“, weiß Lotz. „Was 100-prozentig vorliegt, sind schematische 2-D-Darstellungen der Schaltanlagen.

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Erstellung einer intelligenten Schaltanlage aus dem Maschenmodell. || Bild: ©Bentley Systems Germany

Einige Unternehmen haben angefangen, Umspannanlagen in 3-D-Modellen zu dokumentieren, allerdings meist noch ohne Intelligenz, das heißt, ohne hinterlegte Leistungsdaten. Eine intelligente 3-D-Dokumentation ist heutzutage noch die Ausnahme.“ Doch genau dies sei sehr nützlich: Wer sich am Rechner im realitätsgetreuen virtuellen dreidimensionalen Abbild seiner Umspannanlage umschauen könne, tue sich beim Planen und Durchführen von Modernisierungen oder Umbauten deutlich leichter.

3-D-Modelle mit diversen Verfahren erzeugen

Bentley Systems bietet verschiedene Methoden an, mit denen man bestehende Umspannanlagen dreidimensional dokumentieren kann. In allen spielt Bentley Substation, die Software zur Modellierung und Planung von Elektroinstallationen, eine zentrale Rolle.

Wenn 2-D-Zeichnungen vorliegen –verschiedene Ansichten, Stückzeichnungen usw. – kann man diese mit Hilfe von Bentley Substation per manuellem Verfahren in ein dreidimensionales Anlagenmodell überführen. „Das ist allerdings ein sehr aufwändiges Verfahren, weil man jedes Detail auf Basis analoger Informationen nachkonstruieren muss“, erläutert Andreas Stolpe, Application Engineer bei Bentley Systems. Außerdem sei insbesondere bei älteren Anlagen nicht gewährleistet, dass die Plandaten 100-pozentig mit der Realität übereinstimmen. Wenn beispielsweise Komponenten ausgetauscht oder verändert wurden, ohne dass dies in den Plänen nachgeführt wurde, könne es Abweichungen zwischen 3-D-Modell und Wirklichkeit geben.

Beim Laserscan-Verfahren wird die Oberfläche des zu erfassenden Objektes per Laserstrahl abgetastet. Das Ergebnis ist eine hochauflösende Punktwolke. Aus diesen Rohdaten lässt sich in der CAD-Software das 3-D-Modell erzeugen, ein aktuelles und ein realistisches Abbild der Anlage. Damit kann unter anderem geprüft werden, ob zum Beispiel der Abstand zwischen zwei Lastschaltern tatsächlich so groß ist, wie in den 2-D-Plänen ausgewiesen. „Erkenntnisse über abweichende Größen oder Positionierungen sind wichtige Informationen für die Planung von Arbeiten an Umspannwerken“, betont Stolpe. „Man erfährt dadurch vorher im Detail von Abweichungen, und nicht erst, wenn die Monteure schon vor Ort sind und sich plötzlich neu orientieren müssen.“

Fotos unmittelbar in 3-D-Modelle überführen

Besonders innovativ und effektiv ist das dritte Verfahren. Es heißt ContextCapture und stellt eine Technologie dar, die Bentley Systems seit kurzem neu im Portfolio hat. Dabei werden Fotos, die zum Beispiel durch eine Drohne von bestimmten Positionen aus aufgenommen wurden, in ein 3-D-Modell überführt. Bei einem Demonstrationsprojekt in Frankreich wurden 280 Drohnenfotos sowie weitere Detailaufnahmen geschossen und verarbeitet. „Die Technologie ist besonders einfach zu bedienen und liefert sehr schnell Ergebnisse“, weiß Stolpe aus eigener Erfahrung. „Der Knackpunkt besteht darin, die Fotos so aufzunehmen, dass daraus ein brauchbares 3-D-Maschenmodell erzeugt werden kann.“ Wichtige Informationen können damit zudem durch integrierte Bildelemente transportiert werden. So sind zum Beispiel Typenschilder an allen wesentlichen Komponenten sichtbar. „Im Falle einer Störung muss der Monteur also nicht erst hinausfahren und nachschauen, welches Ersatzteil er benötigt, sondern er kann sich vorab am PC ein genaues Bild machen und entsprechend ausgerüstet vor Ort direkt seine Arbeit beginnen“, erläutert Stolpe.

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3D-Modell einer Umspannungsanlage in Frankreich erstellt mit ContextCapture. || Bild: ©Bentley Systems Germany

Und das sei nicht der einzige Vorteil. Mit Bentley ContextCapture lassen sich Anlagen jeder Größe ohne Zusatzaufwand in 3-D modellieren, also beispielsweise die gesamte Umspannwerksanlage und nicht nur Kernkomponenten wie Leistungsschalter, Trennschalter, Transformatoren usw. „Wer im 3-D-Modell sieht, wie breit etwa das Eingangstor des Umspannwerks ist und wie die räumlichen Verhältnisse auf dem Gelände sind, der weiß auch vorab, ob ein Tieflader mit dem neuen Transformator problemlos hineinfahren kann und wie man den Umbau logistisch am besten steuert“, so Stolpe. Systemtechnisch kommuniziert Bentley ContextCapture über MicroStation Connect Edition mit Substation.

Hinterlegte Sachdaten machen 3-D-Modelle intelligent

Unabhängig davon, wie 3-D-Modelle hergestellt werden – maximalen Nutzen entfalten sie, wenn die einzelnen Komponenten mit Sachdaten verknüpft sind. Dieses „Intelligentmachen“ der Objekte ist ein manuell durchzuführender Reengineering-Vorgang. Dabei werden die Elemente im 3-D-Modell in Bentley Substation angeklickt und mit den zugehörigen Sachdaten zum Beispiel aus entsprechenden Standardbibliotheken und Stücklisten angereichert: Hersteller, Typ, Leistungsdaten, Maße, Baujahr usw. Verknüpft man das intelligente 3-D-Modell eines Umspannwerks mit SAP, einem Asset Performance Management-System und/oder der SCADA-Software in der Netzleitwarte, entsteht eine integrierte und hochintelligente Lösung für Betrieb, Wartung und Instandhaltung. „So weiß der Betreiber, wie viele Schaltvorgänge beispielsweise ein Leistungsschalter wann absolviert hat, und kann rechtzeitig eine Wartung oder die ggf. Bestellung eines Ersatzteils und den Austausch veranlassen“, nennt Hagen Lotz ein Beispiel. „Aus dem ERP-System kann dann direkt der Wartungsauftrag erzeugt werden, während Bentley Substation alle notwendigen Lage- und Sachinformationen zuliefert. So lässt sich eine komplexe Prozessklette durchgängig digitalisieren und hocheffizient organisieren.“

Senkung der Betriebskosten durch Digitalisierung und Systemintegration

Wie integriert werden Daten für die gesamte Prozesskette zur Verfügung gestellt und nutzbar gemacht? An dieser Frage entscheidet sich laut Lotz mit, wie Netzbetreiber die Herausforderungen der Zukunft meistern. „Oft kommen beim Netz- und Anlagenmanagement noch verschiedene Systeme zum Einsatz, die isoliert betrieben werden. In vielen Unternehmen gilt das ungeschriebene Gesetz ,Never change a running system‘. An bewährten Dingen festzuhalten, mag bis zu einem gewissen Punkt auch durchaus sinnvoll sein. Mit den technischen Lösungen und Möglichkeiten, die wir heute anbieten – Stichwort Internet of things –, entstehen jedoch ganz neue Optionen. Letztlich geht es im Netzmanagement der Zukunft darum, durch Digitalisierung und Systemintegration die Betriebskosten bei zunehmender Prozesskomplexität nachhaltig zu senken. Allein ein intelligentes 3-D-Modell vom Umspannwerk liefert dem Anlagenbetreiber viele wertvolle Informationen. Die Projektkosten lassen sich großenteils schon amortisieren, wenn eine Abschaltung des Umspannwerks vermieden werden kann.“

Hagen Lotz, Bentley Systems
Hagen Lotz, Bentley Systems

„Durch Digitalisierung und Systemintegration lassen sich die Betriebskosten bei zunehmender Prozesskomplexität nachhaltig senken.“

Andreas Stolpe, Bentley Systems
Andreas Stolpe, Bentley Systems

„Erkenntnisse über abweichende Größen oder Positionierungen sind wichtige Informationen für die Planung von Arbeiten an Umspannwerken.“

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