Die Kreditwirtschaft an der Schwelle zur 6. MaRisk-Novelle


Autor: Dr. Ralf Hannemann, Direktor, Bereichsleiter Bankenaufsicht, Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands, VÖB

Die deutschen Kreditinstitute haben die im Oktober 2017 mit der Veröffentlichung der endgültigen Fassung abgeschlossene fünfte Novelle der Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk) gerade erst halbwegs verdaut, da steht bereits die sechste Novelle vor der Tür.

Zwar beginnt die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) erst im kommenden Jahr mit der offiziellen Konsultation, allerdings wird das von der BaFin und der Deutschen Bundesbank gemeinsam geleitete Fachgremium MaRisk schon im Vorfeld über die wesentlichen Inhalte informiert. Nach aktuellem Stand werden sich die Mitglieder des Fachgremiums MaRisk am 27. September und am 15. November 2019 erstmals über die Umsetzung einzelner Leitlinien der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA) austauschen.

Die EBA veröffentlicht ihre Leitlinien zu verschiedenen Themenbereichen mittlerweile fast in Fließbandproduktion. Von Ausnahmen abgesehen, erklärt sich die BaFin im Rahmen des „Comply-or-Explain-Verfahrens“ in der Regel auch zur Übernahme dieser Leitlinien in ihre Verwaltungspraxis bereit. Damit sind die wesentlichen Vorgaben für die anstehende MaRisk-Novelle im Grunde schon vorbestimmt. Im besonderen Fokus stehen bei der angekündigten Überarbeitung die Leitlinien über das Management notleidender und gestundeter Risikopositionen (EBA/GL/2018/06), die Leitlinien zu Auslagerungen (EBA/GL/2019/02) sowie die noch in Konsultation befindlichen Leitlinien zur Kreditgewährung und -überwachung (EBA/CP/2019/04).

Ob die zuletzt genannten Anforderungen der EBA bereits in die nächste Fassung der MaRisk einfließen werden, hängt maßgeblich davon ab, wann die endgültige Fassung veröffentlicht wird und wie sie ausgestaltet ist. Die bisher nur im Entwurf vorliegende Fassung geht so sehr ins Detail, dass es schwierig werden könnte, die Vorgaben der EBA in die prinzipienorientierten Anforderungen der BaFin zu übersetzen. Im aus Sicht der Kreditwirtschaft ungünstigsten Fall gelten diese Leitlinien für die weniger bedeutenden Institute zukünftig unmittelbar, womit sich deren Umsetzung über die MaRisk erübrigen würde.

Diese Vorgehensweise, die für die von der Europäischen Zentralbank (EZB) beaufsichtigten bedeutenden Institute seit einigen Jahren den Normalfall darstellt, könnte die vergleichsweise kleinen Institute deutlich überfordern. Zudem wäre mit einer unmittelbaren Wirksamkeit für die Institute das Problem verbunden, dass ein nur allgemein formuliertes Proportionalitätsprinzip keine Garantie für eine Prüfungspraxis mit dem nötigen Augenmaß ist. Für die Prüfer besteht ein Interessenkonflikt zwischen einer möglichen sinngemäßen Umsetzung bestimmter Anforderungen in den Instituten und der eventuellen Haftung für dadurch übersehene Unzulänglichkeiten. Es bleibt insofern zu hoffen, dass die BaFin an ihrer bewährten Praxis festhält, die europäischen Vorgaben praxisgerecht in ihre Verwaltungspraxis zu übersetzen. In der Vergangenheit hat die BaFin im Zusammenspiel mit der Deutschen Bundesbank regelmäßig einen gangbaren Weg gefunden, den Besonderheiten der heterogenen deutschen Institutslandschaft bei der Umsetzung europäischer Vorgaben gerecht zu werden.

Inhaltlich nimmt die Komplexität des Risikomanagements und der Gesamtbanksteuerung stetig zu. Dabei spielen die nicht-finanziellen Risiken tendenziell eine wachsende Rolle, so z. B. die Drittpartei-Risiken oder die Nachhaltigkeitsrisiken. So wichtig das Management dieser Risiken unbestreitbar auch ist, sollte nicht außer Acht gelassen werden, dass die Institute in Zeiten extrem niedriger Zinsen und negativer konjunktureller Aussichten auch noch rentabel wirtschaften müssen. Dafür ist es insbesondere erforderlich, die eigene Wertschöpfungskette optimieren zu können, ohne von sehr weitgehenden regulatorischen Vorgaben ausgebremst zu werden. Die permanent verschärften regulatorischen Einschränkungen von Auslagerungslösungen stehen diesem Unterfangen zum Beispiel zunehmend im Weg.