Interview mit Kurosch Daniel Habibi – Vorsitzender der BVDS FinTech Plattform & Co-CEO von Carl

Wir sprachen in diesem Interview mit Kurosch Daniel Habibi, Vorsitzender der BVDS FinTech Plattform und Co-CEO von Carl, über die Herausforderungen für FinTechs in Zeiten von Corona, wie der Bundesverband deutscher Startups Fintechs in dieser Situation unterstützen kann und welche Vorteile flexible Unternehmensstrukturen bedeuten können.

Welche zentralen Probleme entstehen für deutsche FinTechs durch Corona?

Die Corona-Krise geht auch an den deutschen FinTechs nicht spurlos vorüber. FinTechs sind derweil eng in die zentralen Wirtschaftsstrukturen eingebunden und haben dementsprechend mit den aktuell grundlegenden Problemen wie Ausgangs- und Reisebeschränkungen, reduzierter wirtschaftlicher Aktivität sowie je nach Tätigkeitsbereich mit konkreten Herausforderungen in den Geschäftsmodellen zu tun. Modelle, die zur Zahlungsinfrastruktur gehören sind beispielsweise wenig betroffen, können zum Teil sogar von der Krise profitieren.

Im Bereich des Asset-Managements ist hingegen durch die fallenden Werte an den Börsen zunächst ein Rückgang von verwaltetem Vermögen zu beobachten, viele Anleger lösen ihre Positionen auf, manche nutzen jedoch auch die Gelegenheit für Zukäufe. In FinTechs, die Finanzierungen anbieten oder vermitteln, ist ein besonderes Phänomen zu beobachten: durch die Liquiditätsengpässe der Unternehmen steigt die Nachfrage massiv an, durch die harten Vergabekriterien können diese Finanzierungen jedoch nun eher schwieriger bedient werden als zuvor. Die staatlichen Fördermittel sind durch die Koppelung an die Hausbanken ebenfalls nur schwer abzurufen und lindern die Engpässe bisher kaum. In unserem Kundenkreis bei Carl, Unternehmer im Mittelstand, die ihre Nachfolge regeln und ihr Unternehmen veräußern möchten, sehen wir ebenfalls unterschiedliche, gegenläufige Effekte. Einige Unternehmen werden hart getroffen und dadurch temporär oder teils auch längerfristig schwerer verkäuflich. Andere können ihre Stabilität unter Beweis stellen und nutzen gar die aktuelle Phase, um langfristige, strategische Projekte wie einen Unternehmensverkauf vorzubereiten.

Der Käufermarkt ist zwar ebenfalls kurzfristig vorsichtiger geworden und teils damit beschäftigt eigene Brände zu löschen, jedoch gehen wir davon aus, dass sich die Lage dort zeitnah wieder beruhigt. Viele Käufer sehen die aktuelle Situation auch als Chance die eigene Positionierung zu stärken, denn die aktuelle Phase bietet ganz klar auch Chancen. Bei Carl haben wir beispielsweise bereits seit längerem an der Erweiterung unseres Geschäftsfeld in den Distressed M&A-Markt gearbeitet. Das haben wir mit Beginn der Krise noch schneller umgesetzt. Diese Agilität, so glaube ich, birgt einen entscheidenden Vorteil für FinTechs während der Krisenzeit. FinTech Startups, die üblicherweise in Wachstumsphasen hohen externen Kapitalbedarf haben, müssen sich jedoch auf einen erschwerten Kapitalzugang einstellen. Das ist nun eine Aufgabe, der wir uns nun in der Startupszene und ganz konkret auch im Rahmen des Bundesverband deutsche Startups widmen.

Inwiefern unterstützt der Bundesverband deutscher Startups die FinTechs bei der Bewältigung der aktuellen Situation?

Der Verband setzt sich aktuell stark für Startups in ganz Deutschland ein. Wir stehen über verschiedene Gesprächskanäle im engen Austausch mit der Regierung und anderen Entscheidungsträgern, um Startups möglichst schnell, effektiv und unbürokratisch zu helfen. Zusammen mit zahlreichen Mitgliedern, haben wir einen Maßnahmenkatalog, bestehend aus vier Stufen, erarbeitet, den der Verband als ganzheitlichen Schutzschirm für Startups vorgeschlagen hat. Dieser deckt sowohl Frühphasen-Startups mit und ohne Venture Capital Finanzierung, Startups in der Wachstumsphase wie auch Scale-Ups ab. Ziel ist es Instrumente zu schaffen, die möglichst viele Startups davor bewahren, durch kurzfristige Effekte der Coronakrise den Markt verlassen zu müssen, obwohl die Unternehmen grundsätzlich tragfähig sind. Im Startupverband arbeiten wir gerade mit Hochdruck an einer Umsetzung mit den Bundes- und den Landesregierungen.

Haben Start-Ups und FinTechs durch flexiblere Strukturen einen Vorteil gegenüber großen Banken, wenn es um Krisenbewältigung geht? Falls ja, müssen die großen Banken sich anpassen und im Hinblick auf kommende Krisen ihre Strukturen überdenken?

Grundsätzlich sind flexible Strukturen natürlich stets ein Vorteil, das gilt insbesondere in einem Umfeld, das sich schnell wandelt. Klassische Finanzunternehmen haben sich in der Vergangenheit deutlich schwerer damit getan flexibel den neuen Anforderungen zu begegnen. Durch die Krise ist nun in vielen Bereichen eine Beschleunigung bereits vorherrschender Dynamiken zu beobachten. Ganz konkret rück die Digitalisierung stärker in den Fokus und es zeigt sich, dass dabei – teils notgedrungen – eine ganz andere Geschwindigkeit möglich ist. Das bietet enorme Chancen. Für FinTechs und Banken bietet sich die Gelegenheit die unterschiedlichen Stärken zu bündeln, zu ergänzen und in Form von Kooperationen den neuen Herausforderungen zu begegnen. Startups wie auch große Banken können die Krise daher auch ganz aktiv nutzen, um gestärkt aus dieser Phase hervor zu gehen.