From safe harbor to riding the wave?

Gaëlle Olivier

Eine COO-Perspektive

Artikel aus dem Handelsblatt Journal BANKING vom 07.09.2022

von Gaëlle Olivier

Es gibt eine Gewissheit im Leben und die lautet, dass das Leben eben nicht sicher ist. Genau hierfür ist die Finanzdienstleistungsbranche da: Sie begleitet Einzelpersonen und Unternehmen bestmöglich bei der Bewältigung von Ungewissheiten. Was hat sich diesbezüglich in den letzten Jahren geändert? Es sind hauptsächlich drei Dinge.

Erstens ist das makroökonomische Umfeld unsicherer geworden und die Häufigkeit und Schwere von Krisen hat zugenommen. In den letzten zwei Jahrzehnten gab es eine noch nie dagewesene Anzahl wirtschaftlicher Schocks.

Zweitens hat sich die Finanzdienstleistungsbranche um weitere und diversere Akteure vergrößert, die nicht alle unter den gleichen Bedingungen arbeiten. Von traditionellen Banken über Fintechs bis hin zu neuen Akteuren, die im Finanzdienstleistungssektor tätig geworden sind. Von lokalem zu globalem Wettbewerb. Zudem ist das Ökosystem größer geworden, der Wettbewerb ist hart und die Spielregeln sind in der gesamten Wertschöpfungskette uneinheitlich. Während die zehn größten europäischen Banken gemäß Marktkapitalisierung 500 Mrd. USD auf sich vereinen, kommen die zehn größten US-amerikanischen und asiatischen Banken auf 1.450 Mrd. bzw. 1.150 Mrd. USD.

Drittens entwickeln sich die Bedürfnisse von Personen und Unternehmen weiter. Von der Finanzierung der zweiten industriellen Revolution, die schwerpunktmäßig auf materiellen Vermögenswerten beruhte, zur Finanzierung der vierten industriellen Revolution, die hauptsächlich durch den Einsatz von Technologien und die Leistungsfähigkeit der Menschen angetrieben wird. Von einfachen Finanzierungen zu strukturierten, komplexen Finanzierungsformen. Von der persönlichen zur digitalen Interaktion. Von produktorientierten  Anforderungen zu gesellschaftsorientierten, verantwortungsvollen Bedürfnissen. Es ist definitiv eine mutige neue Finanzierungswelt! In den letzten zehn Jahren hat sich das jährliche Volumen der weltweit generierten digitalen Daten mehr als verzwanzigfacht, während die Kosten für die Verarbeitung und Speicherung von Daten im gleichen Zeitraum um das Zweifache, in den letzten zwei Jahrzehnten sogar um das Sechzigfache gesunken sind.

Die Welle zu reiten, anstatt von ihr überrollt zu werden, erfordert eine sinnhafte und engagierte Zielorientierung, eine mutige und gemeinsame Vision, Agilität und Ausgewogenheit.

 

Was bedeutet das für das traditionelle Bankwesen?
Wie Kapitäne auf einem Schiff bei starkem und wechselndem Wind müssen sich die Banken auf ihren Auftrag konzentrieren und für ihre Kund:innen – ihren besten Kompass – relevant bleiben. Sie müssen aber auch ihre Boote manövrierfähiger machen, alte Systeme umgestalten und ihre Kontrollmechanismen kontinuierlich verstärken. Das bedeutet, effizienter zu werden, Systeme aufzurüsten, die Infrastruktur flexibler anzulegen und für externe Partner einsatzbereit zu machen.

Bei Société Générale sind wir gerade auf dem Weg, unsere Systeme effizienter zu gestalten und gleichzeitig in neue Technologien und Datenausbau zu investieren, die Sicherheit unserer Systeme zu erhöhen und unsere Teams zu schulen. Wir öffnen unser Ökosystem für externe Partner und nehmen neue, moderne, agile und wettbewerbsfähige Lösungen an Bord. So entwickeln wir ein Ökosystem, das es uns ermöglicht, effizienter, schneller und näher an unseren Kund:innen zu sein, während wir für sie ein vertrauenswürdiges Umfeld erhalten.

Banken müssen ihr technologisches Fundament stärken, das ihre kontinuierliche Entwicklung hin zu digitaler Reife und Führung gewährleistet. Außerdem ist es wichtig, einen offenen Ansatz für Innovationen zu verfolgen. Nehmen Sie Société Générale als Beispiel: Wir haben mit Boursorama eine vollständig digitale Bank geschaffen, die bis heute schon vier Millionen Kund:innen erreicht hat. Außerdem wuchs ihr Business-Ökosystem durch eine Kombination aus gezielten Übernahmen, wie beispielsweise Fiducéo (Online-Spezialist für die Verwaltung persönlicher Finanzen), Shine (Online-Bank für Berufstätige), SG FORGE (digitale Vermögenswerte) und Treezor („Banking-as-a-Service“). Dabei geht es entweder darum, „Bank-as-a-Platform“-Lösungen zu entwickeln, um das Kundenangebot zu erweitern, oder „Bank-as-a-Service“-Lösungen auszubauen.

Der Schlüssel zur Transformation
Von Haus aus technologiefähig zu werden, ist der Schlüssel zur Transformation des Bankwesens. Dies ist nur mit einer internen Lernkultur möglich, in der die Mitarbeitenden Initiativen ergreifen und sich ermächtigt fühlen, etwas auszuprobieren und auch mal zu scheitern. Ebenso wichtig ist die Akzeptanz von Vielfalt und Inklusion, weil diese Perspektiven eröffnen und es ermöglichen, den Status quo in Frage zu stellen und die Zukunft zu gestalten. Und er liegt in der Selbstfürsorge der Mitarbeitenden, weil ein Unternehmen durch die geballte Energie derer stark ist, die gemeinsam und mit freiem Blick in dieselbe Richtung gehen.

Die Banken haben die Wahl. Sie können sichere Häfen für ihre Kund:innen mit dem Risiko bleiben, nicht mehr lange wirklich sicher zu sein oder nicht mehr viel Mehrwert zu bieten und immer weniger relevant für die Transformationsreise ihrer Kund:innen zu sein. Oder sie können das richtige Umfeld schaffen, damit ihre Kund:innen den Wandel gut durchlaufen  können: Die schwierige Transformation hin zu einer nachhaltigeren Gesellschaft; die Herausforderung, auch als Arbeitgeber attraktiv zu bleiben.

Die Welle zu reiten, anstatt von ihr überrollt zu werden, erfordert eine sinnhafte und engagierte Zielorientierung, eine mutige und gemeinsame Vision, Agilität und Ausgewogenheit. Es ist eine notwendige Entwicklung, um sicherzustellen, dass die Banken weiterhin eine entscheidende Rolle bei der Finanzierung und damit bei der Stabilisierung unserer Gesellschaft spielen können.

Von Haus aus technologiefähig zu werden, ist der Schlüssel zur Transformation des Bankwesens.

 

Gaëlle Olivier, Deputy General Manager und Chief Operating Officer, Société Générale

 

Dieser Artikel ist im aktuellen Handelsblatt Journal „BANKING“ erschienen.

Das vollständige Journal können Sie sich hier kostenlos herunterladen:

Zum Journal