Die digitale Evolution im Banking

Die digitale Evolution im Banking

Von Iris Bethge-Krauß, Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands Öffentlicher Banken Deutschlands, VÖB und Stephan Winkelmeier, Vorstandsvorsitzender der BayernLB.

Öffentliche Banken sind wesentliche Player im Kampf gegen Corona. Mit Hilfe von Förderkrediten sowie Finanzierungslösungen für ihre Kunden stabilisieren sie die krisengebeutelte Wirtschaft. Zugleich ermöglichen sie als Finanzierungspartner notwendige Digitalisierungsvorhaben als Grundstein der Zukunftsfähigkeit der Unternehmen und gestalten den Wandel. Für öffentliche Banken wie die BayernLB ist die Begleitung der Transformation der Wirtschaft Teil ihres gesellschaftlichen Auftrags. Gemeinsam mit dem VÖB hat die BayernLB Vorschläge entwickelt, wie die Transformation der Wirtschaft mit Hilfe der öffentlichen Banken noch besser gelingen kann, und adressiert aktuell drängende Zukunftsfragen und notwendige politische Weichenstellungen.

Seit Anfang 2020 stellt die Corona-Pandemie unser Leben auf den Kopf. Die Maßnahmen, die notwendig waren, um Menschenleben zu schützen, hatten und haben tiefgreifende wirtschaftliche und gesellschaftspolitische Folgen.

Auch Dank der öffentlichen Banken kommt Deutschland vergleichsweise gut durch diese Krise. Förderbanken haben die aufgelegten Hilfsmaßnahmen der Politik effizient umgesetzt, und auch die Landesbanken haben ihre Kunden durch Kredite und Moratorien unterstützt. So konnten Unternehmen stabilisiert und Arbeitsplätze gesichert werden. 2020 war mithin auch für die bayerischen Sparkassen und ihre Landesbank ein echtes Ausnahmejahr. Das Neugeschäftsvolumen hat sich im Fördergeschäft mit einem Gesamtvolumen von 6,1 Mrd. Euro gegenüber 2019 mehr als verdoppelt, zahlreichen mittelständischen Unternehmen konnte die benötigte Liquidität verschafft und damit ein wesentlicher Beitrag zur Stabilisierung der Wirtschaft geleistet werden. [i]

Nach der Krise geht es darum, den notwendigen Wiederaufschwung zu befördern und die Transformation der Wirtschaft in Richtung Digitalisierung und Nachhaltigkeit voranzutreiben. Denn: Die Corona-Pandemie hat schonungslos offengelegt, wo Nachholbedarf besteht und beiden Themen einen enormen Boost verliehen. Aktuell sehen wir eine nie dagewesene Innovationsdynamik und Transformation: Realwirtschaft, Bildungssystem und Arbeitswelt: alles wird nachhaltiger, agiler und digitaler.

Öffentliche Banken – Treiber von Digitalisierung in zweierlei Hinsicht

Eine im Herbst 2020 vom ifo-Institut durchgeführte Umfrage zeigt deutlich, dass Corona den Digitalisierungsbestrebungen in Unternehmen einen gewaltigen Schub verpasst hast. Ein Drittel der Befragten gab an, während der Corona-Pandemie neue digitale Programme zur Zusammenarbeit im Betrieb eingeführt zu haben. Ein weiteres Drittel intensivierte die Nutzung bereits vorhandener digitaler Instrumente. Und auch nach der Pandemie wollen Unternehmen stärker digitale Werkzeuge einsetzen.

Die öffentlichen Banken unterstützen diese Transformation tatkräftig durch speziell ausgerichtete Förderprogramme und Darlehen. Gleichzeitig sind sie Berater und Sparringspartner bei der Umsetzung erforderlicher Transformationsprozesse. Hierzu zählen zum Beispiel Investitionen in die Infrastruktur der digitalen Zukunft wie die Unterstützung der GasLINE GmbH & Co.KG durch die BayernLB beim zielgerichteten Ausbau der Netzinfrastruktur und Erweiterung des Glasfasernetzes zur Abdeckung des 5G Mobilfunkstandards. GasLINE ist führender Betreiber eines deutschlandweiten Glasfasernetzes und erbringt Infrastrukturleistungen für die Netze von Carriern, Internet Service Providern, Media-/ Content-Providern, Stadtwerken, Kommunen und Unternehmen. Seit 2017 verfolgt GasLINE eine Investitionsoffensive mit einem gezielten Netzausbau.[ii]

Für den Geschäftserfolg eines international agierenden Unternehmens mitentscheidend ist aber auch die richtige Lösung für Exportfinanzierungen. Der Schlüssel zum Erfolg liegt dabei insbesondere auch in einer guten Beratung und Begleitung des Exporteurs durch seine Hausbank. Die BayernLB bietet in Kooperation mit der AKA Ausfuhrkredit-Gesellschaft mbH vertraute Kundenbetreuung mit schneller Finanzierungsindikation über die digitale Antragsstrecke an. Über SmaTiX (Small Ticket Express), eine vollautomatisierte und digitale Lösung für standardisierte Bestellerkredite mit niedrigerem Volumen, erhalten deutsche Exporteure schnell und unkompliziert verlässliche Finanzierungsangebote für Exporttransaktionen.[iii]

Parallel treiben Banken auch ihre eigene digitale Transformation weiter voran. Die Gestaltungsfelder dabei sind vielfältig: Angefangen beim Onboarding zum Firmenkonto, dem klassischen Zahlungsverkehr, über Unterstützungsfunktionen zwischen Konto, Buchhaltung und Steuerabgaben, Expense-, Cash-, Forecast- und Risiko-Management, Lieferkettenfinanzierung, Dokumentenmanagement und Factoring bis hin zu Kreditantragstrecken oder Treasury- bzw. Investment-Angeboten. Es gibt vielfältige Anwendungsfälle und Möglichkeiten, sich durch digitale Features von den Mitbewerbern abzuheben. Doch auch die Herausforderungen sind immens.

Zunächst sind die Anforderungen im Bereich der Firmenkunden sehr heterogen: vom familiengeführten Handwerksbetrieb über Mittelständler bis hin zum börsennotierten Corporate bestehen völlig unterschiedliche Erwartungen an ein digitales Kundenerlebnis, Transparenz und Geschwindigkeit. Digitale Antworten sind oft komplex und meist nur für eine Zielgruppe perfekt lösbar. In der Vergangenheit war zudem der Marktdruck zur beschleunigten Umsetzung deutlich geringer, da bei der Auswahl der Hauptbank im Firmenkundengeschäft Verlässlichkeit und geringe Risiken wesentliche Kriterien darstellen. Um eine echte Wechselbereitschaft auszulösen, müssen neue Marktakteure neben einer vergleichbaren Sicherheit echte Mehrwerte bieten. Mehrwerte, die weit über nur ansprechende und benutzerfreundliche Oberflächen für singuläre Aspekte hinausgehen, wie z.B. eine zentrale Plattform für alle Anfragen & Anwendungsfälle. Am Markt existieren derzeit nur Einzellösungen diverser Anbieter.

White Label und Open Banking beschleunigt diese Entwicklung, weshalb erwartet wird, dass in den nächsten fünf Jahren neue digitale Plattformen und Kanäle bis zu 30 Prozent des traditionellen Umsatzes im Firmenkundengeschäft erwirtschaften[iv]. Dazu hat Corona gezeigt, dass auch etablierte Player sich – trotz geringer Kunden-Fluktuation – beim Thema Digitalisierung nicht ausruhen dürfen. Auch Geschäftsbanken sind also gefordert, zeitnah digitale End-to-End-Transaktionen zu ermöglichen[v]. Denn viele Player entwickeln derzeit eine umfassende und nachhaltige Digitalisierungs-Roadmap.

Wie viele andere öffentliche Banken hat auch die BayernLB die Zeichen der Zeit früh erkannt: Bis 2024 wird sich die BayernLB in eine Spezialbank mit Fokus auf Zukunftsthemen wandeln. Dazu gehört auch ganz wesentlich das Vorantreiben der Digitalisierung[vi]. Hierfür hat sie einen Leitfaden Digitalisierung entwickelt, der klare strategische Stoßrichtungen festlegt: Neben der Verankerung konsequenter Kundenorientierung in der Organisation, Stärkung des kulturellen Wandels (z.B. über den Ausbau digitaler Kompetenzen u. agiler Methoden) sowie der Beschleunigung von Innovationszyklen, liegt der Fokus – wie in vielen Wholesale-Banken – im Um- bzw. Neubau komplexer End-to-End Prozesse. Neben der Steigerung der Abwicklungsgeschwindigkeit durch Automatisierung manueller Prozesse, der Reduktion von Schnittstellen und Übergabepunkten sowie einer umfassenden Modernisierung der Technologie resultiert dies in einer nachhaltigen Kostensenkung. Wesentliche Großprojekte dabei sind die Konsolidierung der Handelssysteme, eine neue zentrale und standardisierte Banksteuerung und ein IT-Arbeitsplatz nach modernen Maßstäben. Begleitend zu dieser internen Neuausrichtung sind die Kunden kontinuierlich von der eigenen Digitalisierungs-Kompetenz zu überzeugen und tägliche Hürden der Kunden mit Alltags-Features, wie beispielsweise einer digitalen Kundenschnittstelle mit Push-Nachrichten, der digitalen Signatur und Videolegitimation und durch Kooperation mit Plattformanbietern[vii], zu reduzieren. Positive Rückmeldungen wie z.B. die des Corporate-Kunden PORR AG zu ersten Erfahrungen bei der Nutzung der Digital Vault Services für einen sicheren, schnelleren und einfacheren Prozess im Garantiegeschäft zeigen, dass dies gelingt.[viii]

Banken sind maßgeblicher Teil der Innovationsförderung: Die Technologie ist verfügbar – der Rahmen ist noch ausbaufähig…

Für eine zeitnahe Reaktion auf sich ändernde Kundenanforderungen und plötzliche und unvorhersehbare gesellschaftliche Herausforderungen sind konsequente Flexibilisierung und Kostensenkung durch neue Technologien wie Cloud, Open API und KI die wesentlichen Erfolgsfaktoren. Die steigende Bedeutung dieser Technologien ist zwischenzeitlich auch im Bankensektor anerkannt. Cloud erlaubt den bedarfsgerechten und zugleich ressourcenschonenden Einsatz von Rechnerleistung und den Zugriff auf die jeweils aktuellsten Softwareversionen. Wesentliche Softwarehersteller verfolgen zunehmend Cloud-First- bzw. Cloud-Only-Strategien.

Die konsequente Nutzung dieser Technologien ist entscheidend, um die aktuellen und künftigen Herausforderungen als Bank zu meistern. Gleichwohl steht insbesondere der Einsatz von Cloud anhaltend im Fokus von Rechtsprechung (z.B. Schrems II) und Aufsicht (z.B. BAIT). Die Sicherstellung eines rechts- und aufsichtskonformen Einsatzes bindet folglich erhebliche Ressourcen und führt zu technisch komplexen Lösungsansätzen. Demgegenüber erfreuen sich außereuropäische Banken bzw. aktuell nicht regulierte Finanzdienstleister (z.B. FinTechs) der nahezu uneingeschränkten Möglichkeiten der Cloud-Technologien. Damit besteht die latente Gefahr, dass öffentliche Banken, wenn sie zusätzlich weiterhin ihrer gesellschaftlichen Verantwortung nachkommen und bei der Bewältigung gesellschaftlicher und wirtschaftspolitischer Herausforderungen unterstützen sollen, ins Hintertreffen geraten.

Dies trifft auch Banken, die technologisch bereits sehr weit in ihrer Entwicklung fortgeschritten sind wie die Deutsche Kreditbank AG (DKB). Die hundertprozentige Tochtergesellschaft der BayernLB hat im Privatkundengeschäft bereits früh auf reines Directbanking über digitale Kanäle umgestellt. Zum weiteren Ausbau hat sie noch vor der Corona-Pandemie ein massives Investitionsprogramm zur weiteren Digitalisierung von Front- und Backendprozessen gestartet. Mehr noch: für eine Techbank sind Cloudlösungen wesentliches Element für weiteres Kundenwachstum und ein exzellentes Kundenerlebnis im digitalen Raum. Dies gilt nicht nur für das Privatkundengeschäft, sondern auch bei Finanzierungs- und Anlagelösungen für Kommunen und Unternehmen.

Die regulatorisch veranlassten Aufwände für den Rollout von Cloud-Lösungen sind nur ein Beispiel dafür, wo Regulatorik Digitalisierung bremst, während unsere Kunden schon jetzt mehr Geschwindigkeit erwarten. Auch ständig steigende aufsichtsrechtliche Reporting-Anforderungen (z.B. FinBa, IBOR) binden bei Banken einen wesentlichen Teil ihrer Ressourcen. Die aktuellste Anforderung der Europäischen Bankenaufsicht ergänzt das bisherige Reporting um ESG- (environment, social, governance) Komponenten. Dies resultiert in steigenden Anforderungen an Offenlegung, Berichterstattung, Risikomanagement und gegebenenfalls höheren Kapitalanforderungen. Werden diese von Beginn an durchgängig digital umgesetzt, ergibt sich hieraus die Chance, die gewonnenen Erkenntnisse sowohl für die wirtschaftliche Transformation der Kunden als auch für neues Geschäft wie Green Bonds oder Beratungs-, Finanzierungs- und Investmentlösungen für die Kunden zu nutzen.

Das Beispiel ESG führt vor Augen, dass zukünftige regulatorische Anforderungen im Idealfall auch unter dem Blickwinkel „Mehrwert für Kunden bzw. Unterstützung der öffentlichen Banken bei der Unterstützung ihres gesellschaftlichen Auftrags“ bewertet werden und die weitere digitale Transformation unterstützen.

[i] Mehr: „Ausnahmejahr für die Förderprofis der bayerischen Sparkassen“ (bayernlb.de)

[ii] Mehr: Investition in die Infrastruktur der digitalen Zukunft (bayernlb.de)

[iii] Mehr: https://www.bayernlb.de/internet/de/blb/resp/bayernlb_rd/nachricht_265666.jsp

[iv] Siehe Studie BCG.

[v] Also sicherzustellen, dass Unternehmensprozesse zukünftig in Echtzeit abbildbar, transparent, weitestgehend automatisierbar und in bis dato nicht gekannter Geschwindigkeit durchführbar sind.

[vi] BayernLB hält trotz Corona an der Neuausrichtung fest (handelsblatt.com)

[vii] Kooperationen pflegt die BayernLB u.a. mit Plattformanbietern wie Guarantee Vault (Plattform für digitale Garantie), Rage+ (Anbindung Geno-Banken an Sorten & Edelmetall), VC-Trade

[viii] Die Revolution im Garantiegeschäft – Wie komplett digitalisierte Garantieplattformen Fortschritt bringen: https://www.bayernlb.de/internet/de/blb/resp/kunden_1/corporates_1/messen_und_veranstaltungen_2/corporates_talk/23__juni_2021/23__juni_1/23__juni_1.jsp