Wachsender Pendlerverkehr in den Städten verlangt nach innovativen Lösungen

„Lebendiges Testlabor“ Singapur: Bequeme und flexible autonome Fahrservices der Zukunft machen das eigene Auto überflüssig

„Lebendiges Testlabor“ Singapur: Bequeme und flexible autonome Fahrservices der Zukunft machen das eigene Auto überflüssig

Noch nie gab es in Deutschland so viele Pendler wie heute. Die jüngste Aral-Studie (2018) zeigt, dass mittlerweile 72 Prozent der deutschen Arbeitnehmer entweder immer (59%) oder meistens (13%) mit dem Auto vom Wohnort zum Job pendeln. Diese Vorliebe für den eigenen Pkw bringt Großstädte allerdings zunehmend an Kapazitätsgrenzen. Der Verkehrsdatenanbieter Inrix ermittelte, dass durch überlastete Straßen beispielsweise Berliner Autofahrer 2018 im Schnitt 154 Stunden in dichtem Verkehr und Stau verbrachten. Eine Zeit- und Ressourcenverschwendung sondergleichen – und dazu eine große Belastung für die Umwelt. Neue Lösungen für eine zukunftsgerechte Pendlermobilität sind gefragt – und zwar nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Denn auch die Metropolen anderer Länder haben mit dem Problem der Verkehrsüberlastung zu kämpfen.

Singapur ebnet den Weg in die urbane Mobilität der Zukunft

Als Vorreiter auf dem Gebiet der Forschung an der urbanen Mobilität der Zukunft gilt der Stadtstaat Singapur in Südostasien. Deshalb nutzen viele internationale Unternehmen, darunter auch deutsche Automobilhersteller wie BMW und Daimler, den Standort als „lebendiges Test-Labor“ für neue Entwicklungen und beteiligen sich an wegweisenden Projekten. Weil die Bevölkerungszahl steigt und die Landfläche beschränkt ist, ist Singapur besonders aktiv darin, innovative Ideen auf dem Gebiet selbstfahrender Autos (AVs = autonomous vehicles) zu initiieren, voranzutreiben und zu fördern. Ein Forschungsschwerpunkt ist, wie AV-Technologie in den öffentlichen Verkehr integriert werden kann, nicht nur um neue Formen der sogenannten Shared Mobility zu schaffen, sondern auch, um Einschränkungen hinsichtlich Land und Fachkräften zu überwinden.

Ein Plus an der Lebensqualität

Prof. Marcelo Ang, NUS Engineering Associate

Zwei Zentren für Forschung und Entwicklung, die in diesem zukunftsorientierten Sektor besonders aktiv sind, sind die National University of Singapore (NUS) und die Singapore-MIT Alliance for Research and Technology (SMART). „AV-Technologie ist die naheliegende Lösung für die künftigen Herausforderungen der urbanen Mobilität“, sagt NUS Engineering Associate Professor Marcelo Ang, der zudem Singapore Principal Investigator bei

SMART ist. Speziell auf die große Masse der Pendler abzielend, wurden bereits einige Pilotprojekte für autonome Mobility-on-Demand-Dienste gestartet. Geplant ist eine Flotte von selbstfahrenden Shuttles oder Gondeln, die zusammen mit anderen Personen genutzt und von Pendlern bequem über das Smartphone gebucht werden können. „Die wohlklimatisierten Vehikel bringen die Fahrgäste auf Wunsch von der eigenen Haustür direkt zu einem Bahnhof oder einer anderen Einrichtung in der Umgebung“, berichtet Prof. Ang. „Diese sehr komfortable Lösung für die sogenannte erste und letzte Meile bedeutet insbesondere für ältere Menschen und solche Pendler, denen die Nutzung der heutigen öffentlichen Verkehrsmittel aus

unterschiedlichen Gründen schwerer fällt als anderen, eine deutliche Verbesserung ihrer Mobilität.“
Parallel dazu läuft ein dreieinhalbjähriges Projekt zur Entwicklung und Erprobung von autonomen Bussen, die für den fahrplanmäßigen innerstädtischen

Nützliche Infos zur urbanen Mobilität der Zukunft liefert das Magazin ‚SingaPur‘. Free Download.

und Überlandverkehr eingesetzt werden sollen. „AVs könnten den öffentlichen Verkehr so komfortabel und bequem machen, dass Pendler unserer Ansicht nach dann sogar bereit sein könnten, auf ihr Auto zu verzichten“, so Prof. Ang. „Wir nennen es die Entwicklung hin zu einer ‚Car-Lite-Gesellschaft‘. Denn AVs mindern die Abhängigkeit von menschlichen Fahrern und ermöglichen die Optimierung des Verkehrsflusses, um Staus zu reduzieren. AVs werden den Menschen volle Mobilität bescheren, wodurch sie autarker werden und sich ihre Lebensqualität verbessert.“
Auch das PKW-Aufkommen würde deutlich reduziert, wie eine von SMART initiierte Studie zeigt: Anhand von zahlreichen Simulationen, in die Routenoptimierungsalgorithmen und Daten über Fahrzeugbewegungen in Singapur einflossen, konnten die Forscher ermitteln, dass es durch autonome Carsharing-Services möglich sein würde, den Pkw-Bestand des Landes im privaten und öffentlichen Verkehr um mehr als die Hälfte von derzeit 800.000 auf 300.000 zu reduzieren. Das würde gelingen, wenn die Einwohner Singapurs komplett auf solche Sharing-Dienste auswichen – bei einer geschätzten Wartezeit von weniger als 15 Minuten während der Hauptverkehrszeit.

TÜV SÜD und BMW Group an der Entwicklung von Teststandards in Singapur beteiligt

Dr. Houssem Abdellatif, Global Head of Autonomous and Connected Driving, von TÜV SÜD
Dr. Houssem Abdellatif, Global Head of Autonomous and Connected Driving, von TÜV SÜD

Darüber hinaus gilt es, die technischen Voraussetzungen für den großflächigen Einsatz autonomer Fahrzeuge zu erfüllen. Autonome Fahrzeuge müssen für Benutzer und Fußgänger sicher und vor der Gefahr von Cyberangriffen geschützt sein, bevor sie zum Einsatz kommen dürfen. Daran wird fieberhaft geforscht. Um sicher zu stellen, dass die Entwicklungen markttauglich sind, gibt es in Singapur das Centre of Excellence for Testing and Research of Autonomous Vehicles – NTU (CETRAN). Federführend in der Initiative ist die Nanyang Technology University (NTU Singapore) und TÜV SÜD aus München. Weitere Partner des Projektes sind die Singapore Land Transport Authority (LTA) und die Forschungseinrichtung Future Mobility Research Lab der BMW Group. Ziel ist es, Teststandards für selbstfahrende Autos in Ballungszentren zu entwickeln und damit die Basis dafür schaffen, dass in den nächsten 10 bis 15 Jahren landesweit AVs einsetzbar sind. Eine wesentliche Aufgabe von TÜV SÜD ist die Funktions- und Wirklichkeitsprüfung der Technik in simulierten Verkehrssituationen. „Diese Verkehrssituationen, von uns ‚safety cases’ genannt, muss ein autonomes Fahrzeug beherrschen, um für den Straßenverkehr in Singapur zugelassen werden zu können“, erklärt Dr. Houssem Abdellatif, Global Head of Autonomous and Connected Driving, von TÜV SÜD. „Anders gesagt: Wir arbeiten die ‚safety cases’ aus und geben vor, wie sich das Auto verhalten muss, damit die Sicherheit gewährleistet ist. Dadurch entstehen dann Schritt für Schritt ein Regelwerk und ein standardisiertes Zulassungsverfahren.“ Was simpel klingt, hat allerdings seine Tücken. „Die Herausforderung besteht darin, bereits heute Kriterien für die Zulassung eines autonomen Fahrzeugs zu definieren, obwohl es das Gesamtprodukt in Serienform noch gar nicht gibt und wir auf keinerlei Erfahrung zurückgreifen können“, so Dr. Abdellatif.

Ideale Rahmenbedingungen sorgen für zügige Fortschritte

Damit das zügig gelingt, sorgt Singapur für außerordentlich günstige Rahmenbedingungen. Dazu gehören neben der finanziellen Förderung vor allem auch beschleunigte Genehmigungsverfahren, damit die Tests mit minimalem Aufwand schnell auf die Straße kommen. „Außerdem verfügen wir über ein eigenes CETRAN-Testfeld, das neben der NTU gebaut wurde und mit intelligenten Ampelanlagen etc. ausgestattet ist“, ergänzt Dr. Abdellatif. „Dort stehen Fahrzeuge, an denen wir dann direkt unsere Tests durchführen. Die simulierten ‚safety cases‘ können wir hier also in der Realität validieren – mit echten Autos auf echten Straßen.“
Experten rechnen damit, dass selbstfahrende Autos, Busse und Lieferwagen sich im Jahr 2050 auf unseren Straßen in Deutschland verbreiten werden und durch spezielle Angebote nicht zuletzt der Pendlerverkehr entlastet wird. In Singapur dürfte es deutlich schneller gehen.

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