
Ralf Schnell, Senior Platform Evangelist – Automotive & Manufacturing, ServiceNow
Traditionelle Automobilhersteller befinden sich mitten in einem grundlegenden Transformationsprozess: Dabei wandeln sich ehemals Transaktions-orientierte Produzenten von Fahrzeugen zunehmend zu Mobilitätsdienstleistern, die rund um ihre Automobile plattformbasierte Mehrwertdienste bereitstellen, die das Fahrzeug aufwerten und so neue Erlösmöglichkeiten eröffnen. Kunden können solche Services je nach Bedarf per Abonnement hinzubuchen oder abbestellen. Dieser Servitization genannte Trend verlangt vom Kundendienst eine fundamentale Neuausrichtung.
Kundendienst, wie wir ihn kannten
Bisher galt, dass es genau einen fehlerfreien Zustand des Fahrzeugs bzw. seiner einzelnen Teile gab. Und Reparaturen hatten zum Ziel, genau diesen einen Zustand wiederherzustellen, zum Beispiel, indem ein defektes Teil ersetzt wurde. Im selben Maße jedoch, in dem Autohersteller ihre Fahrzeuge durch individuelle Plattform-Services vernetzen, wird es in Zukunft ganz neue Formen und Definitionen von Störungen geben.
Die digitale Transformation von Services im Auto – Was Kunden erwarten
Der Betriebszustand eines Fahrzeugs wird zunehmend durch eine wachsende Anzahl von vernetzten digitalen Plattformen beeinflusst oder sogar definiert. Selbstverständlich erwarten Autobesitzer, dass diese Plattformen jederzeit reibungslos funktionieren – schließlich haben sie sich für ein Premium-Fahrzeug entschieden. Entsprechend müssen sowohl Autohersteller als auch Service-Anbieter diesen Plattformen und ihrer Funktionalität höchste Priorität einräumen.
Beim Kundenservice wird es zukünftig immer seltener um Hardwarekomponenten und dafür mehr und mehr um Software und plattformbasierte Produkte gehen. Dies erfordert nicht nur von den Service-Mitarbeitern neue Fähigkeiten, sondern auch ein grundlegend neues Verständnis davon, was der Kundendienst in Zukunft leisten muss.
Defekte werden immer komplexer
Kundendienstfälle können auch in Zukunft die Hardware betreffen. Genauso können sie jedoch auf einem Software-Bug in einer App beruhen oder mit Problemen von Cloud-Services zusammenhängen. Die Ursache kann jedoch auch in einem nicht verlängerten Abo für einen Mehrwert-Service liegen. All diese Bereiche müssen zukünftig im Kundendienst durchgängig integriert sein, wenn dieser seiner Support-Funktion im Rahmen einer integrierten Mobilitätsdienstleistung gerecht werden will.
Komplexe Ursache-und-Wirkungsketten bei der Fehlerdiagnose
Die Entwicklung digitaler Plattformen basiert auf agilen, iterativen Methoden, die die permanente Verbesserung und Weiterentwicklung sicherstellen. Darüber hinaus kennen digitale Plattformen keinen ein-eindeutig definierten Zustand, der allein als voll funktionsfähig angesehen werden kann: Es existieren einfach zu viele Versionen und mögliche Variationen von Komponenten, die eine funktionierende Konfiguration ergeben. Dies macht die Identifizierung und Lösung von Problemen in der Regel komplizierter als das Auffinden und den Austausch von defekter Hardware.
Im Kundendienst sind Agilität und Zusammenarbeit gefragt
Die Diagnose eines Problems auf einer digitalen Plattform erfordert daher einen agilen Ansatz und eine Vielzahl von Fähigkeiten, die von verschiedenen Teams und teils unterschiedlichen Dienstleistern erbracht werden müssen.
Hierin liegt auch die grundsätzliche Herausforderung für die Kundendienst-Abteilungen im Automotive-Bereich. Denn bisher sind diese nur selten in Echtzeit mit den Abteilungen für Operational Technology und Software-Entwicklung verbunden; Eskalationen oder Rückfragen zu diesen Abteilungen benötigen mehr Zeit, als für den Kundendienst akzeptabel ist. Für Automobilhersteller gilt es daher nun, zwei wichtige Schnittstellenkompetenzen aufzubauen: zum einen die Fähigkeit des Kundendienstes, Probleme mit digitalen Plattformen zu diagnostizieren und zu beheben. Und zum anderen die Fähigkeit, Kundenfeedback schnell an die Entwicklungsteams weiterzugeben.
Wie kann sich der Kundendienst neu aufstellen?
Der Kundendienst-Prozess muss zukünftig sowohl mit dem Auto als auch mit den DevOps-Prozessen vollständig integriert sein, und Informationen und Tickets müssen nahtlos zwischen allen beteiligten Teams zirkulieren können. So erfahren Kundendienst- und auch DevOps-Teams zeitnah von Problemen, die von Onboard-Systemen erkannt wurden, um sie in die Planung von Service-Terminen einzubeziehen. Dies ist die Voraussetzung dafür, dass DevOps-Ressourcen Teil der Diagnosemaßnahmen im gesamten Service werden.
Und last but not least: Die Entwicklung und Bereitstellung von Hotfixes muss für den Kundendienst so normal werden, wie es für den Betrieb digitaler Plattformen längst der Fall ist.