TAG DER VISIONÄRE
Dr. Akif Askar, Head of Business Development, Strategy and M&A, Traton Group
Andrea Rexer, Leiterin des Ressorts Unternehmen und Märkte, Handelsblatt
Wenn Automobil-Manager über den Durchbruch der Elektromobilität sprechen, denken sie dabei in aller Regel an den Pkw-Bereich. Von den schweren Jungs, den 40-Tonnern auf der Langstrecke, ist dabei selten die Rede.
Das änderte Akif Askar auf dem Handelsblatt Autogipfel. Als Top-Manager der Traton Group, der Lastwagensparte der Volkswagen AG, gab er seinen Ausblick auf die Zukunftsthemen der Lkw-Branche. Und die werden in der Gegenwart – noch vor den neuen Antriebstechnologien – vor allem durch neue Allianzen geprägt.
Dies beginnt schon innerhalb der Konzernlandschaft. Die Marken Scania und MAN, heute Brüder unter dem Dach der VW-Gruppe, waren zuvor erbitterte Wettbewerber. In dieser schwierigen Patchwork-Familie habe man erfolgreich Vertrauen geschaffen, so Akif Askar. Ein Weg dazu: Unterschiede in der Unternehmenskultur seien nicht weggewischt, sondern zum beiderseitigen Nutzen angenommen worden. „Wir kreieren Mehrwert für beide Marken“, so Askar. „Im Lkw-Bereich macht der Antriebsstrang 60 Prozent der Gesamtkosten aus. Heute haben wir 40.000 Lkw von MAN, die ein Scania-Getriebe benutzen, das hätte sich vor sechs Jahren keiner vorstellen können. Und ab 2021 werden wir eine gemeinsame Motorenplattform ausrollen.“ Auf der anderen Seite lasse man beiden Marken Freiraum, wie sie die Fahrerkabine gestalten und auch im Vertrieb gebe es keine Zusammenarbeit.
Jenseits der Konzerngrenzen verfolge Traton globale Partnerschaften für jene Regionen, in denen die eigenen Marken kaum oder gar nicht vertreten sind. Zwar sei die Gruppe in Europa und Südamerika Marktführer, „das ist aber nur ein Drittel des globalen Profit Pools“, gibt Askar zu bedenken. In Asien pflege die Marke daher eine Kooperation mit Hino, einer 50-prozentigen Toyota-Tochter, in China hat sich die langjährige Zusammenarbeit mit Sinotrac bewährt. Für Nordamerika verbündet sich Traton mit Navistar. „Wir werden keine Scania dort sehen, aber wir werden den Powertrain mit Navistar teilen. So partizipieren wir, ohne selber eine Fertigung aufzubauen“, erklärt der Chefstratege. „Das ist der Ansatz, den wir Smart Partnership nennen.“
Auch Elektromobilität und autonomes Fahren seien für Traton Riesenthemen, wobei die Situation im Lkw-Bereich sehr speziell sei. Hier stünde die Kostenfrage über allem, kein gewerblicher Kunde kaufe allein aus Umweltgründen ein Fahrzeug mit einem teuren Antrieb, betonte Askar. Die andere Seite dieser Medaille: Gerade, weil Kaufentscheidungen im Nutzfahrzeugsektor praktisch ausschließlich rational getroffen werden, ließe sich der Umschwung erheblich besser berechnen als bei Pkw. Als Faustregel nennt Askar: „Der Lieferverkehr in der Stadt wird früher elektrifiziert, die Langstrecke später.“ Wobei dieses „später“ vielleicht doch etwas früher kommt, denn „der Batteriepreis sinkt schneller als angenommen“. Ein rein batterieelektrischer Antrieb sei jedoch längst nicht die einzige Option: „Wir werden uns Hybride anschauen“, verspricht der Traton-Manager.
Während Akif Askar schon Anfang der 2020er-Jahre den elektrischen Lieferverkehr in Innenstädten als realistische Option sieht, werde der Umbruch beim autonomen Fahren umgekehrt verlaufen und sich zuerst auf der weniger komplexen Langstrecke vollziehen.
Für beide Zukunftsthemen sieht Askar erhebliche Synergien zwischen den Pkw- und Lkw-Sparten der VW-Gruppe. Bei Batterieeinkauf, Ladeinfrastruktur und Technologien zum autonomen Fahren bringe die Zugehörigkeit zum Konzern Vorteile.
Auto-Gipfel 2018 – Executive Summary: Statements, Diskussionen und Videos im Überblick
Zum Gipfeltreffen der Automobilbranche kamen über 600 Automobilexperten aus der ganzen Welt – darunter Hersteller und Zulieferer, Technologie- und Energiekonzerne sowie Politiker und Verbände – Anfang Dezember 2018 nach Wolfsburg. Vom 03. bis 05. Dezember diskutierten die versammelten Branchengrößen Strategien, Konzepte und Technologien für das Automobil von morgen und die zukünftige Ausrichtung der Autoindustrie.