KOMMT DER VOLKSHYBRID?

KOMMT DER VOLKSHYBRID?

TAG DER STRATEGEN

Wolf-Henning Scheider, Vorsitzender des Vorstands ZF Friedrichshafen AG

Der Wunsch nach individueller Mobilität steigt, das Raumangebot dafür wird zumindest in Städten rund um die Welt immer knapper. Dass der Umstieg auf die Elektromobilität eine Vielzahl an kreativen Lösungen für dieses Dilemma bietet, das skizzierte Wolf-Henning Scheider anhand aktueller Projekte seines Unternehmens. Seine ambitionierte Vision: „Wir elektrifizieren sämtliche Mobilitätsformen vom Fahrrad bis zum 40-Tonner.“

Angesichts der dreistelligen Milliarden-Investitionen der Automobilhersteller in die Elektromobilität konstatiert Scheider: „Hier hat sich eine Branche massiv auf den Weg gemacht. Wir bei ZF leisten unseren Beitrag dazu.“ 12 Milliarden Euro investiert das Unternehmen in die Elektromobilität – gemessen am Umsatz ein Engagement auf Augenhöhe mit den OEMs. „Auch das zeigt die neue Rolle der Zulieferer. Wir investieren gleichermaßen in die neuen Technologien wie die OEMs.“

Dabei gebe es nicht einen Lösungsweg, betont der ZF-Chef. „Wir gehen verschiedene Pfade für die unterschiedlichen Bedürfnisse.“ Wie vielfältig sich das Unternehmen engagiert, zeigt ein Blick auf vier Modellstädte, die exemplarisch für bestimmte Mobilitätsherausforderungen stehen. Für extrem dicht besiedelte Metropolen wie Hongkong, in denen praktisch kein Parkraum existiert, sieht ZF das autonom fahrende elektrische Robotaxi eGO Mover als idealen Pkw-Ersatz. Herz des Personentransporters, dessen Serienproduktion 2019 startet, ist der Supercomputer ZF ProAI, die gesamte Antriebs- und Fahrwerkstechnik stammt von ZF. Auch dies unterstreicht die neue Rolle der Zulieferer: „Wir liefern das komplette System mit Hardware, Software und Services an den Hersteller.“

Für das Vorankommen in einer geradezu chaotischen, tropisch heißen Stadt wie Bangkok wiederum wären drehmomentstarke E-Bikes erste Wahl. ZF denkt auch hier voraus, will bei Elektrofahrrädern ähnliche Sicherheitsstandards erreichen wie bei vierrädrigen Fahrzeugen und hat ein ABS für Fahrräder entwickelt. Nächster Schauplatz von Scheiders elektromobiler Weltreise ist das gebirgige Bogotà: Hier wird eine Seilbahn mit ZF-Antriebstechnik gebaut. „In Deutschland sprechen Städte wie Stuttgart darüber, eine Seilbahn in den öffentlichen Nahverkehr einzubauen.“ Um Fahrgästen ein maximales Sicherheitsgefühl zu vermitteln, hat das Unternehmen eine KI-gesteuerte Zustandsüberwachung eingeführt, die eventuellen Wartungsbedarf frühzeitig erkennt und Ausfälle verhindert.

Als viertes Beispiel führt Scheider das texanische Houston an: flächig, zersiedelt, weite Wege – in solchen Städten wird der private Pkw noch lange unersetzlich bleiben. Nur sollte der mit reduzierten Emissionen fahren. Der Lösungsvorschlag von ZF ist ein 8-Gang-Plug-in-Hybridgetriebe mit integriertem E-Antrieb, das bis zu 50 Kilometer lokal emissionsfreie Reichweite ermöglicht. „Der Bedarf an diesem Getriebe geht massiv hoch“, konstatiert Wolf-Henning Scheider. „Wir werden bis 2023 unsere Produktion verzehnfachen.“

Überhaupt fordert Scheider, verdiene die Hybridtechnik deutlich mehr Aufmerksamkeit. ZF will mit einer neuen Generation von Hybridantrieben namens EV Plus dazu beitragen. „Der Elektromotor deckt den Großteil der Fahrleistung ab, während der Verbrenner das Plus ist und den Menschen die Reichweitensorge nimmt“, so das Konzept. Ein Clou: Per Geofencing-Technologie wäre sichergestellt, dass die Motorsteuerung den Verbrennungsmotor in Innenstädten er gar nicht erst startet.

Und noch eines liegt ihm am Herzen: „Wenn wir es mit der Elektrifizierung ernst meinen, dann müssen wir die Technologie viel leichter erreichbar machen für die Menschen und einen Volkshybrid bauen.“ Wegen der Kosten für große Batterien taugten Elektrofahrzeuge derzeit nur als Zweit- oder Drittfahrzeug für Wohlhabende. Der Akku des Volkshybrid wäre jedoch viermal kleiner als die eines rein elektrischen Fahrzeugs und würde dennoch allen alltäglichen Mobilitätsanforderungen genügen. Wenn sich Familien aber nur ein Auto leisten können, so Scheider, ist der Volkshybrid eine soziale und umweltgerechte Lösung.

Auto-Gipfel 2018 – Executive Summary: Statements, Diskussionen und Videos im Überblick

Auto-Gipfel 2018 – Executive Summary: Statements, Diskussionen und Videos im Überblick
Zum Gipfeltreffen der Automobilbranche kamen über 600 Automobilexperten aus der ganzen Welt – darunter Hersteller und Zulieferer, Technologie- und Energiekonzerne sowie Politiker und Verbände – Anfang Dezember 2018 nach Wolfsburg. Vom 03. bis 05. Dezember diskutierten die versammelten Branchengrößen Strategien, Konzepte und Technologien für das Automobil von morgen und die zukünftige Ausrichtung der Autoindustrie.

Die Highlights des Handelsblatt Auto-Gipfels 2018 haben wir für Sie in einem interaktiven Nachbericht zusammengefasst.

JETZT DOWNLOADEN