HANDELSSYSTEM IM KRISENMODUS

HANDELSSYSTEM IM KRISENMODUS

TAG DER STRATEGEN

Karl Brauer, Director General World Trade Organization WTO

Mit großen Sorgen schilderte Handelsrechtsexperte Karl Brauer aktuelle Entwicklungen, die internationale Handelsabkommen schwächen und bewährte Verfahren in Frage stellen. Gerade die Automobilindustrie war bislang ein Nutznießer der Stabilität und Verlässlichkeit dieser Vereinbarungen. Und gerade sie erlebe jetzt schmerzhaft, welche Risiken entstehen, wenn sich einzelne Staaten von der erfolgreichen und bewährten Praxis lossagen.

„Zölle auf Automobile waren nach oben limitiert – darauf konnten sich alle Marktteilnehmer verlassen“, so Brauer. Die USA und die EU hätten 1994 frei entschieden, dass auf europäische Fahrzeuge ein Einfuhrzoll von 2,5 Prozent erhoben werde und auf US-Autos in Europa zehn Prozent. „Heute erleben wir eine Renaissance der Zölle mit üblen Auswirkungen auf Wachstum, Bruttoinlandsprodukt und Investitionen“, konstatiert er. Jahrzehntelang hatte das bewährte Streitbeilegungssystem der WTO einen solchen Wildwuchs verhindert und bei Meinungsverschiedenheiten eine gemeinsame Basis hergestellt. „Wenn ein WTO-Mitglied der Meinung war, dass eine frühere Entscheidung falsch war, konnte es eine Korrektur beantragen“, so Brauer. Auch bei Verdacht auf Dumping oder für Angleichungen im Zuge der EU-Beitritte bildete die WTO eine von allen anerkannte Instanz zur Schlichtung.

„20 Jahre lang hat das sehr gut funktioniert. Das Schiedsgericht der WTO hat 540 Fälle verhandelt und 95 Prozent der Entscheidungen wurden von den Vertragspartnern befolgt“, schildert Brauer die Erfolgsgeschichte und hält fest: „Die WTO bietet Transparenz, Vorhersehbarkeit und Rechtssicherheit – wenn die Verfahren eingehalten werden.“ Doch dieses System sei jetzt hochgradig gefährdet: Vier der sieben Positionen in der Berufungsinstanz seien derzeit vakant und eine Nachbesetzung werde von den USA blockiert. Sie werfen ihr fehlerhafte und parteiische Entscheidungen vor.

Noch ist die Schlichtungskammer handlungsfähig, einen weiteren Abgang würde sie jedoch nicht verkraften. Und schon jetzt führe die verminderte Anzahl der Mitglieder zu einer Einschränkung der Kapazitäten bei der Streitschlichtung. „Es gibt einen Rückstau von Fällen. Wenn die Blockade nicht aufgelöst wird, wäre das ein schwerer Rückschlag für die Durchsetzung des Rechts auf internationaler Ebene“, warnt der WTO-Direktor. „Illegale Praktiken könnten nicht mehr angegriffen und korrigiert werden, Unternehmen wären zahlreichen Nachteilen ausgesetzt.“

Gibt es eine Chance, solch ein Szenario abzuwenden? „In der WTO läuft ein Reformprozess. Die G20 hat sich dazu bekannt, die EU eine Führungsrolle übernommen. Ihr Vorschlag nimmt US-Beschwerden auf und die USA bringen selbst eigene Ideen ein.“

Brauer schloss mit dem Appell an alle Teilnehmer, sich in Gesprächen mit Regierungsvertretern mit Nachdruck für ein multilaterales Handelssystem einzusetzen. Denn „es hat geholfen, auf der ganzen Welt Wachstum und Wohlstand zu generieren und Millionen von Menschen die Chance gegeben, sich durch Integration in die Weltwirtschaft aus der Armut herauszuarbeiten.“

Auto-Gipfel 2018 – Executive Summary: Statements, Diskussionen und Videos im Überblick

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Zum Gipfeltreffen der Automobilbranche kamen über 600 Automobilexperten aus der ganzen Welt – darunter Hersteller und Zulieferer, Technologie- und Energiekonzerne sowie Politiker und Verbände – Anfang Dezember 2018 nach Wolfsburg. Vom 03. bis 05. Dezember diskutierten die versammelten Branchengrößen Strategien, Konzepte und Technologien für das Automobil von morgen und die zukünftige Ausrichtung der Autoindustrie.

Die Highlights des Handelsblatt Auto-Gipfels 2018 haben wir für Sie in einem interaktiven Nachbericht zusammengefasst.

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