Fahrender Wechsel

Austauschbare Karosserien auf intelligenten Fahrgestellen? Wir sind nur eine Fahrzeug generation von ihnen entfernt. An den notwendigen Elektronikkomponenten arbeitet der Halbleiterhersteller NXP.

von Lars Reger

Eine Verbindung in allen Fahrzeugen schien für die Ewigkeit gemacht: Die zwischen Fahrgestell und Karosserie, zumindest bis der Autofriedhof sie scheidet.

Das Fahrgestell trägt Getriebe, Motor und Radaufhängungen, darauf sitzt das Cockpit – fest mit dem Gestell verbunden. So lautet ein Grundgesetz des Autobaus, bislang. Der niederländische Halbleiterhersteller NXP denkt diese Regel in einem Konzeptfahrzeug neu. Das Potenzial: eine neue Innovationswelle für fl exible und sichere vernetzte Mobilität.

Fortschritte in der Fahrzeugelektronik und -architektur können die Wünsche nach mehr Flexibilität erfüllen. Indem Fahrgestell und Karosserie getrennte Wege gehen. Das Fahrgestell soll zum voll automatisierten, alleinstehenden Modul On- Demand werden, das unterschiedlichste Aufbauten tragen kann für unterschiedlichste Zwecke. Es beinhaltet die verschleiß- und alterungsanfälligen Komponenten und die Elektronik für automatisiertes Fahren. Die Erwartung des Nutzers ist klar: Es soll sicher funktionieren, ein reines Gebrauchsgut. Studien zeigen, dass ein Standard-Familienfahrzeug nur fünf Prozent am Tag in Bewegung ist, ansonsten aber steht und wertvollen Platz blockiert. Warum nicht dem Chassis im Idealfall einen 24 Stunden Dauereinsatz ermöglichen: bestellen, nutzen, auf zur nächsten Aufgabe.

Das Cockpit dagegen wird zu einem „Pod“, einer flexibel austauschbaren Fahrerkapsel, die sich je nach Bedarf, Anspruch und Geldbeutel ganz persönlich gestalten oder mieten und sharen lässt – zur Unterhaltung, zum Arbeiten oder „Spediteur“ für die letzte Meile. Ein „Passenger Pod“ bringt die Menschen zur Arbeit, ein „Food Delivery Pod“ transportiert mittags mit eigenem Kühlraum Lebensmittel, ein „Cargo Pod“ fährt nachts mit extragroßer Ladefl äche – alles mit dem selben Fahrgestell. So lassen sich Stoßzeiten entzerren und die „Hardware“ viel effi zienter nutzen.

Sicher ist: Die Module verringern die Zahl an Fahrzeugen in den Straßen, straffen den Verkehr und schaffen durch den Wegfall von nicht mehr benötigtem Parkraum mehr Platz. Dazu fügt das Chassis sich perfekt in das Ökosystem der Stadt ein, auch im Energiemanagement: Bei Bedarf lassen sie Energie in das Stromnetz wandern oder laden sich bei Überkapazitäten eigenständig auf.

Doch auch die Mobilität selbst ändert sich. So lassen sich kostenlose Fahrten in einem gebuchten Pod vorbestellen, die über Werbung finanziert werden. Cockpits könnten aber auch zu einem persönlichen Lifestyle Element werden und eine völlig neue Generation von Produktgestaltern auf den Plan rufen für den perfekten, nach persönlichen Vorlieben gestalteten Designer-Pod. Also lieber einfach und günstig durch die Stadt? Oder besser mit dem Komplettprogramm an Infotainment und Online-Service? Sichere Software-Updates „over the air“ bringen den Pod immer auf den neusten Stand der Technik.

NXP zeigt dies Konzept gemeinsam mit dem Schweizer Think Tank Rinspeed erstmals auf der CES für ein Zwei-Personen-Fahrzeug. Möglich wird die Trennung des Autos vor allem dadurch, dass die Elektronik-Architektur im Fahrzeug in fünf Domänen aufgeteilt wird.

Das Chassis vereint alle Funktionen für das automatisierte Fahren – leistungsstarke Sensoren, um die Fahrzeugumgebung akkurat zu erfassen und zu interpretieren. Es enthält außerdem den elektrischen Antriebsstrang sowie eine smarte Antenne zur Anbindung an die Außenwelt.

Im Cockpit steht hingegen das Fahrerlebnis im Vordergrund. Hier bündeln die Hersteller die unterschiedlichen Elektronik-Funktionen für Infotainment und Bedienung in eine Experience- und eine Komfort-Domäne.

Die Elektronik im Pod und Fahrgestell muss so ausgerichtet sein, dass Updates für die unterschiedlichen Elektronik-Domänen über eine smarte Antenne jederzeit und mit maximaler Sicherheit gegen Hacker-Angriffe und Manipulation ins Fahrzeug gespielt werden können.

Indem NXP die wesentlichen Elektronikkomponenten im Fahrzeug getrennt voneinander denkt, nähern sich die Niederländer ihrer Mission Zero: Null Zeitverlust, indem man die Zeit unterwegs sinnvoll nutzt und den Verkehr effizient steuert. Unfallstatistikgen Null durch das Automatisieren des Fahrens. Null Emissionen durch den elektrischen Antrieb.

Lars Reger, Chief Technology Offi cer Automotive, NXP