Erneuerbare Kraftstoffe: „Es führen viele Lösungen zum Ziel“

Elektrizität ist nicht alles. Auch alternative flüssige Kraftstoffe können die Energiewende im Verkehrssektor voranbringen. Adrian Willig, Geschäftsführer Institut für Wärme und Oeltechnik (IWO), im Interview.

Herr Willig, was sind erneuerbare Kraftstoffe und warum brauchen wir die überhaupt?

Willig: Erneuerbare Kraftstoffe sind nachhaltige Energieträger, bei denen statt Erdöl ganz oder zum großen Teil klimaneutrale Rohstoffe eingesetzt werden und bei deren Herstellung und Verwendung keine oder nur sehr geringe Treibhausgasemissionen entstehen. Treibhausgasreduzierte flüssige Kraftstoffe werden bereits heute mit fossilem Benzin und Diesel kombiniert, und ihr Anteil an den an der Zapfsäule verkauften Kraftstoffen wird allmählich zunehmen. Wenn die fossile Komponente in den an der Zapfsäule verkauften Kraftstoffen vollständig durch treibhausgasneutrale flüssige Energieträger ersetzt wird, werden diese Kraftstoffe CO2-neutral sein. Diese Defossilisierung kann mittels verschiedener Rohstoffe erfolgen. Derzeit sind insbesondere biomassebasierte Produkte erhältlich. Für die Zukunft geht es darum, Art und Anzahl der regenerativen Quellen zu erweitern. Die Basistechnologien für CO2-arme flüssige Kraftstoffe umfassen zum Beispiel nachhaltige Biokraftstoffe, die etwa durch die Hydrierung von Pflanzenölen, Abfällen und Reststoffen gewonnen werden. Aufgrund des absehbar großen Bedarfs werden langfristig auch synthetische Energieträger aus regenerativ erzeugtem Wasserstoff und CO2 als Kohlenstoffquelle benötigt – auch E-Fuels genannt.

Einmal provokativ gefragt: Würde es nicht ausreichen, einfach Verbrennungsmotoren durch E-Autos zu ersetzen?

Willig: Gerade in Deutschland wird die Energiewende-Debatte oftmals so geführt, als würde es um ein Entweder-oder gehen. Beim Klimaschutz gilt jedoch: Es führen viele Lösungen zum Ziel, und es wäre falsch, sich auf eine zu beschränken. Transformationspfade mit einem breiten Technologie- und Energieträgermix sind robuster und kostengünstiger als solche, die primär auf strombasierte Anwendungen setzen. Das hat die dena-Leitstudie „Integrierte Energiewende“ gezeigt. Zumal der Strom ja nicht einfach aus der Steckdose kommt, sondern auch produziert werden muss. In Deutschland wird uns das noch vor große Herausforderungen stellen. Die Mengen, die wir hierzulande an Wind- und Sonnenstrom produzieren können, sind begrenzt, und werden den enormen Bedarf an erneuerbaren Energien allein nicht decken können. Ebenso ist für elektrische Energie auch die Frage der Speicherung zum Ausgleich von Produktions- und Nachfragespitzen noch nicht gelöst. Flüssige Kraft- und Brennstoffe lassen sich dagegen auch über längere Zeiträume einfach lagern. Hinzu kommt: Selbst, wenn wir bis 2030 deutschlandweit zehn Millionen batterieelektrische Fahrzeuge haben sollten, werden dann voraussichtlich noch immer mehr als 35 Millionen Pkw mit Verbrennungsmotor unterwegs sein. Darum benötigen wir auch Lösungen für den Bestand.

Sind E-Autos nicht viel effizienter?

Willig: Bei Effizienzbetrachtungen ist stets ein Blick auf das gesamte System nötig: An optimal geeigneten Standorten auf der Welt können Windkraft- und Photovoltaikanlagen bei in etwa gleichen Investitionskosten deutlich effektiver betrieben werden als in Deutschland. Und diesen deutlich günstigeren grünen Strom aus Wind und Sonne können wir importieren – in Form klimafreundlicher flüssiger Kraftstoffe. Damit rückt man in der Gesamtbilanz in eine ähnliche Größenordnung wie E-Autos.

Welche Vorteile haben erneuerbare flüssige Energieträger?

Willig: Alternative flüssige Kraft- und Brennstoffe haben eine hohe Energiedichte. Große Energiemengen lassen sich so über längere Zeiträume einfach speichern. Zudem können sie mit klassischen, fossilen Produkten kombiniert und in der bereits heute genutzten Technik eingesetzt werden. Ein klimaschonenderes Fahren, Fliegen oder Heizen wird so ohne aufwendige Umrüstungen möglich. Zugleich ist eine bewährte Infrastruktur für flüssige Energieträger vorhanden, die dauerhaft weiter genutzt werden kann.

Der europäische Verband FuelsEurope hat im Sommer die Brancheninitiative „Clean Fuels for All“ gestartet: Worum geht es da?

Willig:Clean Fuels for All“ zeigt, dass bei einem zeitnah beginnenden Markthochlauf im Jahr 2050 bis zu 150 Millionen Tonnen CO2-armer flüssiger Kraftstoffe in Europa hergestellt werden können. Damit ließen sich jährlich mehr als 400 Millionen Tonnen CO2 einsparen. Bereits 2035 wäre mit 100 Millionen Tonnen CO2-Reduktion ein Einsparpotenzial erreicht, das vergleichbar ist zu 50 Mio. E-Autos. Hinzu könnten dann noch Importe aus außereuropäischen Regionen kommen. Für die außerordentlichen Gesamtinvestitionen in solche Kapazitäten sind allerdings verlässliche politische Rahmenbedingungen nötig.

Wie sollten diese Rahmenbedingungen gestaltet sein?

Willig: Wichtig ist es, vor allem auf marktwirtschaftliche Elemente setzen und Investoren Anreize und Planungssicherheit zu bieten. Dazu zählt insbesondere ein Umbau der Energiesteuer zu einer CO2-Bepreisung. Das würde für Investoren die Vermarktung regenerativer Alternativen sofort attraktiver machen, da für diese der CO2-Preis nicht gälte. Die Verbraucher würden dabei insgesamt nicht deutlich höher belastet. Zudem sollte die CO2-Flottenregulierung der EU Fahrzeuge, die CO2-neutrale Kraftstoffe nutzen, genau so behandeln wie E-Autos. Ebenso sollte die Bundesregierung bei der nationalen Umsetzung der Renewable Energy Directive II (RED II, Erneuerbare-Energien-Richtlinie) den derzeitigen Vorschlag des federführenden Bundesumweltministeriums nachbessern, denn jetzt kommt es darauf an, dem Hochlauf der Produktion von grünem Wasserstoff sowie von biogenen und nicht-biogenen erneuerbaren Kraftstoffen die notwendige Investitionssicherheit zu geben.

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Adrian Willig, Geschäftsführer, IWO – Institut für Wärme und Mobilität e.V.