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Sigmar Gabriel, Mitglied des deutschen Bundestages und ehemaliger Bundesaußenminister
Sigmar Gabriel ist ein Mann klarer Worte. Das stellte der ehemalige Bundesaußenminister im Auto-Gipfel-Gespräch mit Handelsblatt-Ressortleiterin Andrea Rexer einmal mehr unter Beweis. Dem Volkswagen-Strategiechef Michael Jost, der sich in seinem Vortrag für die Einhaltung des Zwei-Grad-Ziels und die damit verbundene Reduzierung der weltweiten CO2-Emissionen stark gemacht hatte, schrieb Gabriel ins Stammbuch:
„What’s new? Diese Vorträge wären vor 20 Jahren revolutionär gewesen. Die letzten 20 Jahre hat die Automobilindustrie aber damit zugebracht, exakt das zu verhindern, was er vorgestellt hat.“ Rückwirkend sieht Gabriel dabei auch seine Rolle sowie die der Politik durchaus selbstkritisch: „Und wir Idioten haben immer noch darauf gehört.“ Nun sei es jedoch an der Zeit, dass die Konzerne dieses einbremsende Geschäftsmodell ad acta legten. Vielmehr müssten sie künftig nach dem Prinzip handeln: „Wir werden nicht mehr die Unternehmen zur CDU und die Betriebsräte zur SPD schicken, mit dem Ziel, Regulierung zu verhindern.“ Doch nicht nur das Thema Umweltschutz stelle die Automobilindustrie vor ganz neue Herausforderungen. Auch die veränderte weltpolitische Lage erfordere von den Unternehmen eine grundlegende strategische Neuausrichtung. Bei Handelskonflikten wie etwa im Fall der US-Importzölle auf Autos spielten Nationalstaaten und internationale Organisationen wie die Welthandelsorganisation WTO eine immer geringere Rolle. Bestes Beispiel hierfür sei der Besuch hochrangiger Manager von Daimler, Volkswagen und BMW Anfang Dezember bei US-Präsident Donald Trump. „Die Vertreter des wichtigsten deutschen Industriezweiges können sich nicht mehr darauf verlassen, dass Deutschland oder die Europäische Union für sie gute Bedingungen schafft. Sie müssen selbst ins Weiße Haus reisen und verhandeln dort Handelsbeziehungen für die Automobilindustrie. Schlimmer kann man den Zustand der internationalen Handelsorganisationen eigentlich nicht beschreiben“, erklärte Sigmar Gabriel.
Die regelbasierte Gemeinschaft spiele für die USA unter Präsident Trump keine Rolle mehr – stattdessen herrsche das Recht des Stärkeren. „Da sitzt jemand am längeren Hebel, kann alle andere Regeln ausschalten und die Betroffenen hoffen auf einen guten Deal, um in der Sprache von Herrn Trump zu bleiben.“ Dies stelle Europa vor besondere Herausforderungen: „Die starken Nationen bestimmen das Geschäft. Bei uns gibt es keinen Chef, kein rotes Telefon. Und deswegen spielt Europa in all diesen Konflikten keine richtige Rolle“, erklärte der Politikprofi. Auch Deutschland werde demnach nur so lange ernst genommen, wie es wirtschaftlich stark sei.
Vor diesem Hintergrund müsse Europa künftig außenpolitisch wesentlich stärker auftreten. Dies sei auch im Hinblick auf das anhaltende Kräftemessen zwischen den USA und China – den beiden „Antipoden des 21. Jahrhunderts“ – von essenzieller Bedeutung. Dabei schwinden laut Gabriel die Chancen auf eine multilaterale Weltordnung. „Es sieht eher nach G2 aus. Nicht nach G7 oder G20.“ Die Europäer dürften hier nicht zwischen die Mühlsteine geraten, sondern müssten von der Forschungs- über die Sicherheitspolitik bis hin zu Bildung und Infrastruktur europäisch voranschreiten – und als Gegengewicht zu China und den USA massiv in Zukunftstechnologien wie Künstliche Intelligenz investieren.
Auto-Gipfel 2018 – Executive Summary: Statements, Diskussionen und Videos im Überblick
Zum Gipfeltreffen der Automobilbranche kamen über 600 Automobilexperten aus der ganzen Welt – darunter Hersteller und Zulieferer, Technologie- und Energiekonzerne sowie Politiker und Verbände – Anfang Dezember 2018 nach Wolfsburg. Vom 03. bis 05. Dezember diskutierten die versammelten Branchengrößen Strategien, Konzepte und Technologien für das Automobil von morgen und die zukünftige Ausrichtung der Autoindustrie.