„E-Autos oder alternative Fuels? Wir brauchen beides!“

„E-Autos oder alternative Fuels? Wir brauchen beides!“

Das Erreichen der Klimaziele im Straßenverkehr ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Zur Lösung könnten auch alternative Kraftstoffe beitragen, meint Adrian Willig, en2x – Wirtschaftsverband Fuels und Energie e.V.

Herr Willig, Sie plädieren für den Einsatz alternativer Kraftstoffe auch im Pkw-Bereich. Ist das nicht bloß ein Vorwand, um die Verbrennertechnologie am Leben zu erhalten?

Willig: Entscheidend ist aus meiner Sicht das Erreichen der Klimaziele. Darum sollte es primär gehen – nicht allein um die Elektrifizierung. Die E-Mobilität ist ein wichtiger Baustein für mehr Klimaschutz. Aber ihr Ausbau allein dürfte nicht ausreichend sein. Zudem ist die Verbrennungstechnologie nicht die große Herausforderung, denn die Emissionen kommen ja aus den Kraftstoffen. Deshalb müssen diese nach und nach treibhausgasneutral werden.

Warum reicht der Ausbau der E-Mobilität nicht?

Willig: Zum einen ist derzeit unklar, ob künftig genügend erneuerbarer Strom bedarfsgerecht zur Verfügung stehen wird. Heute macht er nur rund zehn Prozent des gesamten Endenergieverbrauchs in Deutschland aus. Selbst bei ehrgeizigem Ausbau und einer Steigerung der Effizienz droht eine Versorgungslücke bei erneuerbarer Energie. Hier können Importe alternativer Fuels einen wichtigen Beitrag zur Versorgungssicherheit leisten. Zum anderen werden, selbst wenn bis 2030 rund 14 Millionen E-Autos in Form batterieelektrischer Fahrzeuge und Plug-In-Hybriden auf unseren Straßen unterwegs sind, auch noch mehr als 30 Millionen Pkw mit konventionellem Antrieb fahren. Auch für diese Fahrzeuge braucht es Optionen für weniger Treibhausgasemissionen.

Also stellt sich die Frage E-Autos oder alternative Fuels gar nicht?

Willig: Wir brauchen beides! Batteriefahrzeuge werden künftig eine zunehmend große Rolle spielen. Doch um die Klimaziele im Verkehr zu erreichen, benötigen wir auch für den Bestand klimaschonende Lösungen. Und auch Zeit, für den Aus- und Umbau der elektrischen Ladeinfrastruktur. Neue Kraftstoffe zu entwickeln, ist allein schon deswegen sinnvoll, weil solche alternativen Fuels auch in den Bereichen Schwerlast-, im Flug- und im Schiffsverkehr erforderlich sind.

Sollten alternative Kraftstoffe dann nicht erst einmal dort eingesetzt werden, wo es keine Alternativen gibt?

Willig: Das wäre zu kurz gesprungen. Damit alternative Kraftstoffe einen wirksamen Beitrag zum Klimaschutz leisten können, brauchen wir rasch einen Markthochlauf im industriellen Maßstab. So lassen sich bei der Herstellung schnell Skalierungseffekte erzielen, durch die auch die Kosten sinken. Die Einschränkung auf bestimmte Anwendungsbereiche wäre da kontraproduktiv

Kritiker wenden ein, dass synthetische Fuels eine deutlich schlechtere Energieeffizienz gegenüber dem Stromeinsatz in Batteriefahrzeugen haben…

Willig: Diese Einschätzung beruht auch darauf, dass die hohen Ertragsunterschiede von Solar- und Windanlagen je nach Standort ausgeblendet werden. Der Effizienznachteil fällt weniger ins Gewicht, wenn die erheblich höhere standortabhängige Produktivität von Ökostrom-Anlagen in den globalen Sonnen- und Windregionen berücksichtigt wird. Dieser Strom wäre zudem für eine leitungsgebundene direktelektrische Nutzung in Deutschland gar nicht zugänglich. Ebenso wird häufig vernachlässigt, dass E-Autos fürs Heizen zusätzlichen Strom benötigten und dass Strom zwischengespeichert werden muss, um Dunkelflauten zu überbrücken. Auch das zehrt an der Effizienz. Insofern zeigt ein gesamtheitlicher Vergleich für Produktion und Nutzung eine Energie-Gesamtbilanz, in der Fuels-betriebene Pkw nicht so weit von batteriebetriebenen Pkw entfernt sind, wie manche Kritiker es behaupten.

Doch wo soll die ganze Energie herkommen?

Willig: Hierzulande sind die Flächen für die Erzeugung erneuerbaren Stroms eher begrenzt und der Energiebedarf hoch. Deutschland wird daher auch in Zukunft auf Energieimporte angewiesen sein. Das hat gerade erst die neue dena-Leitstudie bestätigt. Alternative Fuels bieten eine Möglichkeit, die künftige Versorgung mit klimaschonender beziehungsweise CO2-neutraler Energie zu sichern und erneuerbare Energie aus Ländern einzuführen, in denen sich diese deutlich leichter als hierzulande gewinnen lässt. Mögliche Erzeugerländer für wasserstoffbasierte Energieträger haben die Studie „Internationale Aspekte einer Power-to-X Roadmap“ des Weltenergierats Deutschland und jüngst der globale „Power-to-X-Atlas“ des Fraunhofer Instituts für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik benannt. Ziel ist ein globaler Power-to-X-Markt, der eine ökonomische Win-win-Situation schaffen und den Klimaschutz international voranbringen könnte. Während die Herausbildung eines solchen globalen Marktes und die entsprechende Verfügbarkeit von synthetischen Kraftstoffen noch Zeit benötigen, sind fortschrittliche Biofuels bereits heute eine wichtige Lösung, um flüssige Energie zunehmend CO2-neutral einsetzen zu können. Umso wichtiger sind geeignete Rahmenbedingungen, um einen Markthochlauf und eine relevante Nachfrage nach solch klimaschonenden Produkten zu forcieren – sowohl für solche aus inländischer Herstellung wie auch für Importe.

Welche Rahmenbedingungen sind das?

Willig: Ein wichtiger Hebel könnte zum Beispiel eine Umgestaltung der Energiesteuer sein, die sich künftig an den Treibhausgasemissionen von Kraftstoffen orientieren sollte, so wie es der Vorschlag der EU-Kommission zur Überarbeitung der EU-Energiesteuer-Richtlinie vorsieht. Zudem sollten klimaschonende Kraftstoffe in der EU-Flottenregulierung auch als Erfüllungsoption anerkannt werden, um alle wesentlichen Klimaschutzoptionen zu nutzen. Die Erneuerbare-Energien-Richtlinie RED müsste zügig umgesetzt werden – und darüber hinaus ist eine Stärkung geeigneter Ausschreibungsprogramme wie zum Beispiel H2 Global erforderlich, um die notwendigen Investitionen in die Herstellung synthetischer Kraftstoffe auch international anzureizen.