
von Hendrik Wüst
Zu wissen was die Zukunft bringt, bleibt ein Menschheitstraum. Wer hätte es noch vor einem halben Jahr für möglich gehalten, dass im Frühjahr 2020 eine Pandemie die Welt in einen Ausnahmezustand versetzt? Auch wer die Entwicklungen in der Automobilindustrie exakt voraussagen möchte, braucht entweder eine Glaskugel oder eine Zeitmaschine. 800.000 Arbeitsplätze hängen von dieser Branche in Deutschland ab. Die Vorhersagen zu Jobverlusten in den kommenden Jahren reichten auch schon ohne Pandemie von 80.000 bis 410.000. Beide Zahlen deuten bereits an, vor welchen Herausforderungen und Umbrüchen die Automobilindustrie steht. Auch ohne Hilfsmittel wage ich heute drei Prognosen zur Zukunft dieser Branche:
1. Prognose:
Die Nachfrage nach Autos bleibt. Machen wir uns nichts vor. Das Auto bleibt in Deutschland ein Evergreen und wird unser Straßenbild noch über Jahrzehnte prägen. Der Individualverkehr wird auch in Zukunft unverzichtbarer Teil unserer Mobilität sein. Das hat nur zu einem geringen Teil mit der innigen Verbindung der Deutschen zu ihrem geliebten Automobil zu tun.
Wer die Leute bewegen will, vom Auto auf Bus und Bahn umzusteigen, muss ihnen ein besseres Nahverkehrsangebot machen – also für Schiene, Schnellbusse und On-Demand-Verkehre, in Nordrhein-Westfalen wird hier kräftig investiert. Aber das Auto komplett ersetzen wird all das nicht.
Der Online-Handel wird weiter zunehmen. Vielen Kunden werden künftig frische Lebensmittel bis an die Haustür zugestellt. Nahezu alles ist mittlerweile lieferbar – per Pkw, Lkw, Transportern, Kleinbussen. Kraftfahrzeuge aller Art werden auch weiterhin zur Mobilität von Menschen und zum Transport von Gütern genutzt werden. In suburbanen und ländlichen Regionen sicherlich stärker als in Ballungsräumen, selbst wenn der öffentliche Nahverkehr auf dem Land immer besser wird. Das Produkt Auto ist also weiterhin gefragt. Da nutzt kein ideologisches Bashing der Autofahrer gepaart mit deren Missionierung und Bevormundung, ihr Auto stehenzulassen oder abzuschaffen.
2. Prognose:
Die saubere Mobilität wird kommen. Es ist unausweichlich: Mobilität muss sauberer werden. Die Menschen, darunter die allermeisten Autofahrer, wollen weniger Schadstoffe und weniger Lärm.
Elektroautos stellen für viele immer noch keine echte Alternative zu Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren dar. Zum einen haben sie für viele nicht die gewünschte Reichweite und sind in der Breite noch nicht erschwinglich. Zum anderen fehlt die Infrastruktur mit einem ausreichenden Netz an Ladesäulen.
Ein verbesserter ÖPNV und saubere Autos – das sind zwei Seiten derselben Medaille. Wir brauchen eine Mobilitätswende und zugleich eine Antriebswende. Das ist nicht nur, aber auch, der elektrische Antrieb gespeist aus erneuerbarer Energie. Inzwischen ist zum Glück unstreitig, dass daneben auch Wasserstoff an Bedeutung gewinnen wird.
Es wird aber auch weiterhin Verbrennungsmotoren geben – bei schweren Nutzfahrzeugen, Lkw und Bussen. Klimaneutrale synthetische Kraftstoffe werden dort nach und nach fossile ersetzen. Es werden mehr und mehr Hybridfahrzeuge auf den Markt gebracht. Busse müssen mit emissionsarmen Motoren fahren und Pkw nachgerüstet werden. Ich bin überzeugt, dass man den Schadstoffausstoß innerhalb weniger Jahre in den Griff bekommen kann.
3. Prognose:
Die Konzerne werden ihre Hausaufgaben machen. Die Autokonzerne haben bislang alle technischen Herausforderungen gemeistert, ob den Einbau von Katalysatoren oder die Umrüstung auf bleifreies Benzin. Das geschah nicht immer freiwillig, sondern wurde oft auch vom Gesetzgeber vorgegeben. Dennoch zeigt es die Leistungsfähigkeit der Fahrzeugingenieure.
Die Kompetenz zur Antriebswende ist vorhanden, das Tempo muss höher werden. Ein Beteiligter an diesem Prozess allein wird es allerdings nicht richten können. Hier sind Gesetzgeber, Infrastrukturbetreiber, Verbraucher sowie Hersteller gleichermaßen gefragt. Sie bilden ein Viereck, in dem jeder auf jeden Einfluss nehmen und Druck ausüben kann.
Es reicht jedoch nicht aus, wenn die Automobilhersteller auf andere in diesem Viereck zeigen: „Der Kunde wünscht ja großmotorige SUVs mit Verbrenner, es gibt ja noch zu wenige Ladesäulen.“ Das stimmt zwar. Sie müssen und werden jedoch sprichwörtlich aus eigenem Antrieb zur Erhaltung ihrer Wettbewerbsfähigkeit schadstoffarme Autos kostengünstig und in allen Segmenten anbieten. Die deutschen Autobauer werden die Kundenwünsche auf ihrem Heimatmarkt nicht länger ignorieren. Und ich bin sicher: Sie werden davon überall in der Welt profitieren.

„Wir brauchen eine Mobiltitätswende
und eine Antriebswende zugleich“