„Clean Fuels for All“: Verkehrswende mit neuen Kraftstoffen

Wie lässt sich ein klimaneutraler Verkehr bis 2050 realisieren? Jedenfalls nicht ohne massive Investitionen in erneuerbare flüssige Kraftstoffe. Einen entsprechenden Plan hat FuelsEurope, der Verband der europäischen Mineralölindustrie, im Sommer vorgelegt. Er zeigt auf, dass bereits bis 2035 die CO2 -Emissionen im Verkehrssektor durch treibhausgasreduzierte flüssige Kraftstoffe in Europa um bis zu 100 Mio. Tonnen pro Jahr gesenkt werden können.

Die Europäische Union verfolgt das ehrgeizige Ziel, bis 2050 klimaneutral zu werden. Das gilt auch für den Verkehrssektor. Die Mineralölindustrie ist mit ihrem Kernprodukt, den derzeit hauptsächlich fossilen flüssigen Kraftstoffen, wesentlich von den Plänen zur Defossilisierung betroffen. Nun hat sich die europäische Mineralölindustrie ausdrücklich dazu bekannt, diesen Weg mitgestalten zu wollen: Am 15. Juni 2020 stellte FuelsEurope in Brüssel ein entsprechendes Positionspapier mit dem Titel „Clean fuels for all“ vor.

„Kein Zurück zu einem ‚Business as usual‘“

„Wir sind uns bewusst, dass es für die Mineralölindustrie kein Zurück zu einem ‚Business as usual‘ mehr geben wird. Klar ist aber auch: Ohne klimafreundliche Kraftstoffe sind die ehrgeizigen EU-Ziele nicht zu schaffen. Wir wollen es dem europäischen Transportsektor daher ermöglichen, durch den Hochlauf CO2 -armer flüssiger Kraftstoffe mittel- bis langfristig klimaneutral zu werden“, so John Cooper, Geschäftsführer von FuelsEurope.

Cooper betont aber auch, dass dafür der politische Rahmen entsprechen ausgestaltet werden müsse. Daher intensiviere man den Dialog mit den Entscheidungsträgern auf europäischer Ebene und – mit Unterstützung der nationalen Verbände – auf Ebene der EU-Mitgliedsstaaten. „Auch die Kunden unserer Branche wollen wir europaweit auf das anbrechende Zeitalter der Klimaneutralität vorbereiten“, betont Cooper.

Erneuerbare flüssige Kraftstoffe ersetzen fossile Energieträger

Gelingen soll dies mit erneuerbaren flüssigen Kraftstoffen, also nachhaltigen Energieträgern aus nicht-erdölhaltigen Quellen. Dazu zählen fortschrittliche Biokraftstoffe und perspektivisch ökostrombasierte synthetische Kraftstoffe. Ihre Herstellung und Nutzung beruht auf weitgehend geschlossenen Kohlenstoffkreisläufen: Eine vergleichbare Menge an CO2 , die bei der Verbrennung der flüssigen Kraftstoffe frei wird, wird im Herstellungsprozess der Brennstoffe eingebunden. Damit sind sie annähernd treibhausgasneutral. Die alternativen Kraftstoffe können den herkömmlichen in zunehmendem Maße beigemischt werden und sie sukzessive ersetzen.

Markthochlauf durch breites Einsatzfeld

Je breiter die Einsatzmöglichkeiten für solche treibhausgasreduzierten flüssigen Kraftstoffe, desto schneller lassen sich auch substanzielle Mengen europaweit anbieten. Zur raschen Schaffung eines entsprechenden Marktes bietet sich aus Sicht der europäischen Mineralölindustrie vor allem der Straßenverkehr an. Von einem Hochlauf in diesem Sektor würden dann auch andere Anwendungsbereiche profitieren – vorausgesetzt, es werden belastbare globale Abkommen geschlossen um Wettbewerbsnachteile für europäische Unternehmen zu verhindern.

Europa könnte bis zu 150 Mio. Tonnen CO2 -armer Kraftstoffe pro Jahr herstellen

Besonders interessant sind die Berechnungen von Concawe, der wissenschaftlichen Gesellschaft der europäischen Mineralölindustrie, zu den Erzeugungspotenzialen und den erforderlichen Investitionen: Bis 2030 könnten neue Anlagen bis zu 30 Mio. Tonnen treibhausgasreduzierte Kraft- und Brennstoffe jährlich produzieren – bei Investitionskosten von geschätzt 30 bis 40 Mrd. Euro. Darin eingeschlossen sind erste Anlagen mit neuesten Technologien im industriellen Maßstab.

Bis 2050 könnte die europäische Mineralölindustrie laut Concawe je nach Szenario und Technologiekostenentwicklung etwa 90 bis 150 Mio. Tonnen alternative Kraftstoffe pro Jahr produzieren, die Investitionskosten beliefen sich dann auf 400 bis 650 Mrd. Euro. Darüber hinaus werden zusätzliche Importe von E-Fuels oder entsprechender Zwischenprodukte aus Regionen außerhalb Europas eine wichtige Rolle spielen.

John Cooper resümiert: „Wir schlagen jetzt ein spannendes neues Kapitel auf. Unser Plan ist ehrgeizig, aber in Zusammenarbeit mit der Politik, unseren Kunden und gesellschaftlichen Gruppen erreichbar. Die neuen klimaschonenden Technologien sind sehr kapitalintensiv, ihre Entwicklung erfordert Investitionssicherheit sowie eine politische Vision. Seitens der Kraftstoffindustrie sind wir bereit, die Führungsrolle zu übernehmen.“ Im Optimalfall sei es möglich, alle Kraftstoffe für den Straßenverkehr klimaneutral zu erzeugen.
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