Auf dem Weg zur Zero-Emission-Logistik

Die Logistikbranche ist ein Konjunkturbarometer und nimmt zugleich Zukunftstrends vorweg. Sie spiegelt die Konjunkturerwartungen im Voraus, weil es sich bei Anschaffungen in den Fuhrpark um langlebige Investitionsgüter handelt. Gerade merkt man wegen der Corona-Krise über alle Hersteller hinweg eine spürbare Kaufzurückhaltung. Der Transport von Industriegütern geht zurück. Ein temporäres Überangebot von Frachtraum führt zu fallenden Transportpreisen. In dieser Gemengelage kommt keine große Investitionsstimmung auf. Das gilt aber nicht für alle Segmente. Die Transportbranche zeigt sich gerade in der Corona-Krise als systemrelevant. Die Menschen im Umfeld der Logistik inklusive des Werkstatt-Services leisten wie Ärzte, Pflegepersonal, Mitarbeiter im Einzelhandel und viele andere mehr einen essenziellen Beitrag bei der Bewältigung der Krise. Deshalb gehört gerade auch den oft hintanstehenden Lkw-Fahrern unsere Anerkennung.

Trotz Krise: der Weg zur Zero-Emission ist „unstoppable“

Dekarbonisierung ist und muss das Gebot der Stunde bleiben. Momentan sieht man als Folge der Krise eine als positiv erachtete Verschiebung der Verkehrsfläche hin zu Fußgängern und Radfahrern, eine Reduktion des Verkehrslärms und eine Verbesserung der Luftqualität. Auch wenn das ein für das Klima temporärer Effekt ist, bleibt dennoch das Bewusstsein einer emissionsfreien Logistik als Ergebnis, wie eine Verbesserung der Lebensqualität in Ballungsräumen aussehen könnte. Der Lkw ist über die Jahre um ca. ein Drittel effizienter geworden. Nach Erhebungen des Umweltbundesamtes hat sich das Frachtaufkommen auf der Straße ebenfalls seit 1991 verdoppelt und Einsparungen kompensiert. Wir müssen den Weg aus der Krise als Chance für neue Technologien und Innovationen nutzen.

Die Herausforderung beim Schwerverkehr

können wir gemeinsam meistern Der Anteil des Lkw am gesamten CO2 Ausstoß in Deutschland liegt laut Umweltbundesamt bei 4,8%. Der Ansatz, CO2 zu sparen, gelingt im schweren Lkw-Verkehr über lange Strecken. Von der EU bis 2025 geforderte Einsparungen von 15% (und weitere 15% bis 2030) sind konventionell nicht darstellbar. Das Verfehlen der Vorgaben zöge für jeden Hersteller existenzbedrohende Strafen nach sich. Die richtigen Entscheidungen müssen also jetzt von den Lkw-Herstellern getroffen werden, damit sie morgen noch am Markt sind.

Um das auch trotz der Krisensituation zu meistern, müssen der Staat und die EU in den diskutierten Corona Konjunkturprogrammen die richtigen Förderprogramme für Lkw aufsetzen. Die „alten“ Fahrzeuge müssen von der Straße. Die notwendige Belebung wird der Industrie und der Umwelt in der jetzigen Wirtschaftslage entscheidend helfen. Insbesondere brauchen wir diese Hilfe für energieeffiziente und/oder CO2  arme schwere Nutzfahrzeuge (EEN). Durch eine schnelle Entscheidung bei der Fortführung der Mautbefreiung für gasbetriebene Nutzfahrzeuge erhalten die Spediteure Investitionssicherheit beim Umstieg auf saubere Fahrzeuge. Wir dürfen diese Chance nicht verpassen.

Die Alternativen sind vielfältig

IVECO ist mit Methan (Bio-/Erdgas) Fahrzeugen seit Jahren am Markt und hat die Gas-Technologie als Pionier auf die Straße gebracht. Wir haben den Aufbau der LNG-Infrastruktur aktiv angestoßen und mit 35.000 verkauften Methanfahrzeugen inklusive 7.000 schwerer LNG-Trucks eine herausragende Expertise. Das bedeutet nicht nur niedrige Verbräuche und geringe Emissionen, sondern auch höchste Zuverlässigkeit. Das ist für den Unternehmer eine essenzielle Voraussetzung, weil die Fahrzeuge immer Teil einer Logistikkette sind.

Beim Pkw geht der Trend zum Elektroantrieb. Nicht so beim Lkw: Durch den hohen Energiebedarf und die damit verbundene große Menge an Batteriekapazität würde die Nutzlast inakzeptabel reduziert. Diese Lösung wird sicher in speziellen Segmenten mit geringen Kilometerleistungen Anwendungen finden. Das ist primär die Distribution in urbanen Räumen, wo das Bedürfnis der Anwohner neben sauberer Luft auch die Lärmarmut ist. Neben der batterieelektrischen Logistik, deren Hauptvorteil die Emissionsfreiheit am Ort der Verwendung ist, sehen wir mittelfristig die Brennstoffzelle als Lösungsweg. Dabei handelt es sich prinzipiell auch um einen elektrischen Fahrantrieb, bei dem eine Brennstoffzelle quasi als Range-Extender aufgeschaltet ist. Diese Brennstoffzelle arbeitet geräusch- und emissionsfrei und verwandelt idealerweise grünen, regenerativ erzeugten Wasserstoff über eine chemische Reaktion mit Luftsauerstoff in elektrische Energie und Wasserdampf. Damit kann man vereinfacht ausgedrückt das Nachladen der Batterie von der Steckdose auf ein mitgeführtes Kraftwerk verlegen und gewinnt Reichweite. Das Ergebnis ist eine hohe Einsatzflexibilität und die Möglichkeit, auch hohe Gewichte über lange Strecken zu transportieren.

Neue Technologien gehen gegenüber gewachsenen Strukturen immer mit einem Handicap ins Rennen. Die Verfügbarkeit der nötigen Infrastruktur mit Wasserstoff entsteht gerade. Ein von allen Ministerien getragener Konsens für grünen Wasserstoff wird sehr schnell seine Wirkung zeigen. Es gibt aber bereits heute eine nahezu klimaneutrale Logistik: die mit Biogas, bei dem regenerativ erzeugtes Methan auf einen Prozess verweisen kann, der bereits CO2 aus der Atmosphäre entnommen hat. Der Weg von LNG zu Bio-LNG ist als „fast parallel track“ schon die Brücke zum grünen Wasserstoff, gewonnen aus Wasser und erneuerbarer Energie Biogas ist bereits heute fester Bestandteil im CNG Tankstellennetz (16%). Durch Erhöhung des Anteils von Biogas kann man den Transport bis zur Emissionsneutralität betreiben. Die „Produktionskosten“ von Biogas sind gering, weil es ohnehin in großen Mengen zur Verfügung steht. Durch den Entfall der EEG Förderung wird die Verstromung von Biogas deutlich weniger attraktiv. Die entstehende Lücke kann der Verkehr als Nachfrager sehr gut ausfüllen. IVECO hat Kunden, die das bereits erfolgreich vormachen: LIDL betreibt in der Schweiz eine Flotte mit schweren Fahrzeugen, die 100% Biogas tanken. Ebenso die Frischemarktkette Carrefour in Frankreich mit mehr als 200 emissionsfreien Trucks und ALDI an mehreren Standorten in Deutschland. Der Entsorger Remondis geht den gleichen Weg mit Deponiegas und beweist damit die Flexibilität dieses sauberen und leise verbrennenden Kraftstoffes.

Auf weiten Strecken gilt der saubere Kraftstoff Methan (CH4) daher als mittelfristig beste Lösung, 40 Tonnen zu bewegen. Dazu verflüssigt man das Gas, indem man es auf minus 162 Grad abkühlt, um die nötige Energiemenge für 1.600 km in den Tank zu bekommen. Bei der Verflüssigung von Biogas besteht noch Handlungsbedarf, wir gehen dabei von wichtigen Impulsen für den Anlagenbau, einer deutschen Domäne, aus. Positiv ist zudem, dass Bio-LNG als vor Ort erzeugter Kraftstoff so gut wie keine Transportkosten wie etwa Erdöl erzeugt.

Die enge Zeitvorgabe und hohe Investitionsbedarfe fordern Kooperationen

Aufgrund der EU-Vorgaben ist das Zeitkorsett „auf Kante genäht“. Die erfolgversprechendste Lösung für eine Pole Position war für IVECO eine Kooperation, idealerweise mit dem Besten. In der Nikola Motor Company haben wir diesen Partner gefunden. Das US-Start-Up, bei dem CNH Industrial in der Serie D mit 250 mio US$ Hauptinvestor ist, hat technologisch zweifelsfrei auf den Gebieten Hochleistungsbatterien und Brennstoffzellenforschung das Master-Know-how. Aufgrund der jeweiligen Stärken ist das im September 2019 gegründete Joint Venture ein Musterbeispiel einer Win-Win-Situation. Das Tempo der Zusammenarbeit ist dabei enorm, weil es im Rahmen eines fixen Zeitplans eine klare Aufgabentrennung und feste Ziele gibt. IVECO eilt hier mit einem Projekt voraus, in dem auch die Infrastruktur Teil des Ganzen ist. Anstatt auf staatliche Netze zu warten, wird am Anfang die Selbstversorgung über definierte Einsatzspektren stehen und sich dann in die Fläche ausbreiten.

Zero Emission im Fernverkehr „made in Germany“

Das Fahrzeug, der Nikola TRE, steht auf der Basis des neuen IVECO S-WAY. Die Integration aller Komponenten erfolgt im CNH Industrial Werk Ulm. Dort wird auch die Serienfertigung stattfinden. Ulm ist bereits heute das Kompetenz-Zentrum für die Konstruktion von IVECO Fahrgestellen und kann auf eine lange Geschichte von Innovationen im Schwerlastwagenbau verweisen. Es liegt im Herzen Baden-Württembergs, das sich durch gut ausgebildete Arbeitskräfte und zahlreiche Forschungsinstitute zu einer führenden Drehscheibe für die Brennstoffzellenmobilität entwickelt.

Zunächst wird das Joint Venture 40 Millionen Euro investieren, um die Produktionsanlagen vorzubereiten. Produktionsstart ist das erste Quartal 2021, die Auslieferung des Nikola TRE beginnt im selben Jahr. Die ersten Modelle sind batterieelektrische 4×2- und 6×2-Fahrzeuge mit modularen und skalierbaren Batterien mit einer Kapazität von bis zu 720 kWh und maximal 480 kW Dauerleistung. Mit gleichen Leistungsdaten folgt 2023 die Erweiterung um die Brennstoffzelle für die erforderliche Reichweite.

Der fortschrittliche Brennstoffzellentruck Nikola TRE steht auf der Basis des neuen IVECO S-Way und fährt ab 2023
in Ulm vom Band.

Der Nikola TRE wird den Standard für emissionsfreie Fahrzeuge setzen. Die Entscheidung, den TRE in Ulm zu produzieren, ist ein gutes Beispiel dafür, wie Arbeitsplätze geschaffen, Innovationen gefördert und neuen Null-Emissions-Zulieferern Sicherheit gegeben werden kann.