Are you (still) in the Driver‘s Seat?®

Vier (weitere) schnelle Thesen zur Zukunft der Mobilität

von Dr. Patrick Ayad & Dr. Nikolas Zirngibl

Die Zukunft der Automobilwelt liegt in den neuen Mobilitätsthemen. Man kann es drehen und wenden wie man will: ACES (Autonomous, Connected, Electric, Shared), CASE (Connected, Autonomous, Shared, Electric) oder – und das ist der jüngste Schrei – ADESA (Active mobility, Data analytics, Electric vehicle, Shared mobility, Autonomous vehicle).

Automobilunternehmen und solche, die die Automobilwelt neu erobern wollen (die sog. New Entrants), stehen vor großen „Challenges“ oder – positiv gewendet – „Opportunities“. Aus „Disruption“ wird eine „Opportunity“. Sie zwingt oftmals zu einer Transformation. Und der Weg dorthin führt bisweilen über eine Kooperation. Zusätzlicher Brennstoff für vier (weitere) schnelle Thesen zur Zukunft der Mobilität.

These 1: Den regulatorischen Rahmen für die Zukunft der Mobilität gestalten wir selbst

Egal ob ACES, CASE oder ADESA, so ein paar Mindestregeln zum autonomen und vernetzten Fahren, zu Bedingungen und Standards der Elektrifizierung sowie zu Transportdienstleistungen wird man schon erwarten können. Dies gilt umso mehr, als z.B. nach einer aktuellen Umfrage von vorwiegend Produktentwicklern und Technikern die Mehrheit der Befragten angegeben hat, dass (nicht vorhandene) rechtliche Rahmenbedingungen die Entwicklung von autonomen und vernetzten Fahrzeugen behindern würden. Der Jurist schüttelt da nur den Kopf, muss aber zugeben, dass die „Steinzeitregeln“ in den beiden UN-Konventionen über den Straßenverkehr (Genf/Wien) trotz aller internationaler Bemühungen, diese zu erneuern, nicht gerade new-mobilitykompatibel sind. Alternativ muss man die derzeit gültigen Gesetze so interpretieren, wie es einem passt. Wenn man einen Juristen nach dem Weg fragt, sollte er einen Weg auch finden.

Nur muss es so weit überhaupt kommen? Jedenfalls bringt es nichts, auf die Regeln zu warten, d.h. bis Politik oder Gesetzgeber aktiv werden. Da warten wir vergeblich bzw. die warten auf uns. Wir müssen uns selbst überlegen, einen gewissen regulatorischen Rahmen für die Zukunft der Mobilität zu gestalten. Die Kernfrage lautet dabei: Wie sieht die Zukunft der Mobilität jenseits 2025 aus? Das ist eine Frage, die derzeit niemand zuverlässig beantworten kann. Daher müssen wir uns fragen: Wie soll die Zukunft der Mobilität jenseits 2025 aussehen? Und um das zu beantworten, müssen wir antizipieren und kreativ sein.

These 2: Der verrückte Hase und der einsame Igel – ohne Kreativität und Kooperationen werden wir nichts erreichen

Und wir dürfen auch ein bisschen „crazy“ sein, wenn es um die Zukunft der Mobilität geht. Jeder will ein bisschen „crazy“ sein, denn spätestens seit Steve Jobs („The ones who are crazy enough to think that they change the world, are the ones who do“) (und Elon Musk) wissen wir, dass wir nichts bewegen werden, wenn wir nicht ein bisschen (oder ein bisschen mehr) „crazy“ sind. Nur ist es nicht besonders „crazy“, wenn man sich dem autonomen Fahren nur im Schritttempo nähert. Es ist schön, dass wir in Deutschland bereits letztes Jahr Regeln zu den Stufen L2 und L3 eingeführt haben, nur sollten wir uns jetzt schon Regeln zu den Stufen L4 und L5 überlegen, sonst werden wir von der Realität überholt und der (nächste) verrückte Hase hoppelt an uns vorbei.

Was uns zum nächsten wichtigen Punkt führt: dem einsamen Igel. Nationale Gesetze sind nur auf halbem Wege zielführend, wenn es um die Zukunft der Mobilität geht. Auch ein Wettbewerb der Länder (Welches Land führt autonomes Fahren zuerst ein?) ist nicht förderlich. Das Typengenehmigungsverfahren ist europäisch harmonisiert, aber auch darüber hinaus wird man sich fragen müssen, ob es nicht globale Regeln geben muss. Auch Automobilunternehmen und New Entrants sind gut beraten, sich trotz aller vertraulichen Innovation nicht allzu sehr einzuigeln. Nicht ohne Grund hat ein großer (deutscher) OEM neulich eine Industrieallianz zum autonomen Fahren angekündigt. Das macht Sinn.

These 3: Investitionen in New Mobility Start-ups sind keine Selbstläufer

Gerade die Beteiligung von Automobilherstellern an New Mobility Start-ups ist spannend: so lassen sich das kreative Chaos, fehlende Denkverbote und unternehmenspolitischen Hemmnisse der Startup Welt mit der Strukturiertheit, der Professionalität und den Netzwerken eines großen Corporate verbinden. Auch wenn sich diese Gegensätze anziehen – die Schwierigkeit liegt gerade auch darin, unterschiedliche Erwartungen an die Zusammenarbeit in Einklang zu bringen: Start-ups wollen frei agieren, Corporates wollen kontrollieren. Start-ups sind auf den erfolgreichen Exit zu einer Marktbewertung aus, der Corporate hätte gern ein Erstzugriff srecht auf das ganze Unternehmen und die Technologie.

Gerade wegen dieser unterschiedlichen Erwartungen ist der Eintrittspreis für Corporate Venture Capital oft höher als für institutionelle Investoren: Es ist viel Geld im Markt, institutionelle Investoren treiben die Preise. Geld alleine ist für Corporate Venture Capital Investoren schon lange nicht mehr die Eintrittskarte in ein Start-up. Corporates müssen im Wettbewerb um die besten Beteiligungen vor allem das mitbringen, was die institutionellen Investoren nicht leisten können: strategische Kooperation. Nur die Corporates, die auch zu dieser strategischen Zusammenarbeit bereit sind, ‚dürfen‘ auch in das Equity investieren und sich darüber Gesellschafterrechte sichern.

These 4: Drum prüfe wer sich ewig bindet – vor allem den Exit

Sind die Eckpunkte der Zusammenarbeit erst einmal (eher rudimentär) in einem „Term Sheet“ zusammengefasst, kann es allen nicht schnell genug gehen, die Kooperation zu beginnen. Doch gerade jetzt heißt es, nochmal einen kühlen Kopf zu bewahren und auch die unangenehmeren Fragen zu stellen. Wer gibt die Richtung an der Kreuzung vor? Was, wenn der Weg zu steil wird und die Partner zur Umkehr zwingt?

Relativ einfach gestaltet sich die Governance mit Minderheitsinvestoren. Diese bekommen lediglich Vetorechte für bestimmte Grundlagenentscheidungen. Vor besondere Herausforderungen stellen sich die Partner in einem 50/50-Joint Venture: Faktisch erfordern alle Beschlüsse ein einstimmiges Handeln der Partner. Ein Schiedsrichter kann oft nicht weiterhelfen: Viele Streitfragen sind unternehmerische Ermessensentscheidungen, die auch kein Schiedsgutachter objektiv aufl ösen kann. Blockaden müssen die Partner selbst über verschiedene Eskalationsmechanismen aufl ösen. Die letzte Eskalationsstufe ist dann am wirkungsvollsten, wenn sie so unberechenbar wie Russisches Roulette ist: dann ist der Einigungsdruck auf die Partner am höchsten.

Und wenn der Weg zur Umkehr zwingt? Die in der Kooperation integrierten Geschäftsbereiche lassen sich nicht mehr trennen, was eine Rückabwicklung oft unmöglich macht. Auch Put- und Call-Optionen stellen die Parteien eher vor neue Herausforderungen, als sie zu lösen. Wer darf das kombinierte Geschäft alleine weiterführen? Zu welchem Preis? Oft ist der gemeinsame Ausstieg durch Verkauf des Joint Ventures noch der gangbarste Weg. Auch diese Konsequenz ist aber so harsch, dass sich die Partner zweimal überlegen werden, ob sie den Karren nicht gemeinsam den steilen Weg nach oben ziehen.

Eine ordentliche „Due Diligence“ ist Grundvoraussetzung auch für jede vertragliche, d.h. nicht gesellschaftsrechtliche Kooperation. Das gilt zum einen für deren operative Realisierbarkeit. Innovation entwickelt sich nicht von selbst, sie muss entwickelt werden. Nur was passiert, wenn ich an einem bestimmten Punkt feststelle, dass die Innovation (so) nicht realisierbar ist und man ggf. einen anderen Weg einschlagen muss. Ein „moving target“ vertraglich zu regeln, ist spannend, Flexibilität ist dabei wichtig. Und wichtig ist auch hier die „exit strategy“. Auch Kooperationen sind keine Einbahnstraße. Evtl. muss man auch mal wieder umdrehen. Um nur ein Beispiel zu nennen: Der Übergang von Entwicklung zur Serienlieferung ist der Automobilindustrie an sich gut bekannt. Und doch stellen sich off enbar besondere Herausforderungen bei den neuen Mobilitätsthemen. Neuer Wein in neuen Schläuchen.

Dr. Patrick Ayad, M.Jur. (Oxford), Partner Munich, Hogan Lovells
Dr. Nikolas Zirngibl, Partner Munich, Hogan Lovells