Autonomes Fahren: Spaßbremse oder Erfolgskonzept?

Autonomes Fahren: Spaßbremse oder Erfolgskonzept?

Erinnern Sie sich noch an K.I.T.T., das selbstfahrende Auto aus der US-Fernsehserie Knight Rider? Womöglich könnte diese Vision schon bald zur Realität auf unserem Straßen werden. Im Mai dieses Jahres stellte das Unternehmen Google seinen Prototypen eines Roboterautos vor. Auch deutsche Automobilhersteller arbeiten mit Hochdruck am selbstfahrenden Fahrzeug. Doch wie reagieren die potentiellen Kunden? 

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Autonomes Fahren: Spaßbremse oder Erfolgskonzept?

Von Peter Fuß

Die mittlerweile legendäre Aufforderung des ewigen Oberinspektors Stephan Derrick: „Harry, hol schon mal den Wagen!“ kommt so in der Krimiserie „Derrick“ überhaupt nicht vor. Sei‘s drum, drückt er doch einfach den Wunsch vieler Menschen aus, komfortabel chauffiert zu werden. Bereits Gottlieb Daimler hatte das Auto insbesondere als chauffierte Version propagiert – und zugleich die weitere Verbreitung des Automobils völlig falsch eingeschätzt. Er ging damals davon aus, dass es nie mehr als 5.000 Autos auf der Welt geben könne, da nicht mehr Chauffeure zur Verfügung stehen würden. Mittlerweile haben wir mehr als 900 Millionen Autos auf dem Globus – und bis 2050 wird sich dieser Fahrzeugbestand mehr als verdoppeln. Wo kommen dann all die Chauffeure her? Der Fahrer wird schlichtweg durch einen Roboter ersetzt werden, und das Auto steuert sich dann selbst. Und so gesehen ist das autonome oder automatisierte Fahren nur eine konsequente Fortsetzung der Überlegungen, die Gottlieb Daimler bereits vor über 100 Jahren angestellt hat.

Wie passt das aber zu der kontrovers und oft emotional geführten Diskussion um das autonome Fahren, also das Fahren im Straßenverkehr ohne Eingreifen des Menschen? Stimmt die gebetsmühlenartig wiederholte These, nur das Selberfahren erfülle den Freiheitsdrang oder gar das Bedürfnis nach automobiler Selbstverwirklichung des Menschen?

Verdirbt das Roboterauto dem Menschen den Spaß am Fahren?

Die Auguren einer automobilen Zukunft, in der die Menschen beim Autofahren um jeden Preis das Steuer in der Hand behalten wollen, behaupten, das autonome Fahren werde die Autofahrer aus dem Paradies der automobilen Freiheit vertreiben. Das Gefühl, in Unabhängigkeit und Freiheit dahinzugleiten – eine Freiheit, die sich schon mal in einem „sportlichen“ Wettkampf auf der Straße manifestieren kann – werde durch das schnöde Roboterauto gänzlich humorlos dahingemeuchelt. Das autonome Fahren als finaler Spaßverderber? Eine Umfrage der Beratungsgesellschaft EY (Ernst & Young) unter 1.000 Autofahrern in Deutschland zeigt ein gänzlich anderes Bild: Es ist erstaunlich, wie aufgeschlossen die Menschen für dieses Thema sind – und das, obwohl bislang noch kaum ein Autofahrer in Deutschland überhaupt Erfahrungen mit autonomem Fahren gesammelt hat. So können sich mehr als vier von zehn Be-fragten vorstellen, dem Autopiloten das Steuer zu überlassen. Wenn sie in Notsituationen zudem noch selbst eingreifen könnten, erhöht sich dieser Wert sogar auf 66 Prozent. Und nur 12 Prozent der Befragten lehnen es kategorisch ab, ein autonomes Fahrzeug als Fortbewegungsmittel zu nutzen. Dieser Vertrauensvorschuss gegenüber autonomen Fahrzeugen wird vermutlich noch steigen, denn bei jungen Autofahrern im Alter bis zu 45 Jahren könnten sich sogar drei Viertel (76 Prozent) vorstellen, dem Computer das Steuer zu überlassen – bei den über 65-Jährigen ist es lediglich jeder zweite.

„ Es ist erstaunlich, wie aufgeschlossen die Menschen für dieses Thema sind – und das, obwohl bislang noch kaum ein Autofahrer in Deutschland überhaupt Erfahrungen mit autonomem Fahren gesammelt hat.“

Autonomes Fahren ist eine zukunftsweisende Technologie

Mehr als die Hälfte der Autofahrer (52 Prozent) ist außerdem davon überzeugt, dass das autonome Auto zum Massenprodukt wird. Gut zwei Drittel der Befragten (68 Prozent) erwarten, dass bis zum Jahr 2030 autonome Fahrzeuge in Deutschland in größerer Zahl zu kaufen sein werden, 17 Prozent rechnen sogar bis zum Jahr 2020 mit einer solchen Entwicklung.

Schon bald könnten selbstfahrende Autos also auf den Straßen zum Alltag gehören. Die Industrie – ob Autobauer, Zulieferer oder gar Internetfirmen arbeitet unter Hochdruck an Fahrzeugen, die ohne menschliches Eingreifen im Straßenverkehr unterwegs sind, und die Unternehmen investieren Milliarden in diese Zukunftstechnologie. Das Interesse der Autofahrer an dieser zukunftsweisenden Technologie legt nahe, dass das Geld der Autobranche gut investiert sein dürfte.

Die anhaltende Diskussion rund um das autonome Fahren ist letztlich nichts als neuer Wein in alten Schläuchen. Über Jahrzehnte kämpften Autopuristen beispielsweise für handgeschaltete Autos und lehnten Schaltautomaten kategorisch ab. Heute bieten manche Sportwagenhersteller nur noch Autos mit Automatikgetriebe an – und siehe da: Die Zahl verkaufter Autos sinkt keineswegs; vielmehr hat der Kunde die Vorteile einer einst viel gescholtenen und falsch verstandenen Technologie längst akzeptiert.

Beim automatisierten Fahren wird der Roboter der Neuzeit den alternden Harry als zuverlässigen Chauffeur ersetzen. Und so wird das Auto als gereiftes Mittel einer individuellen Mobilität überleben – trotz integrierter Mobilitätskonzepte, zunehmender Verkehrsinfarkte, Parkplatznot und Verbannung aus Metropolregionen aufgrund neuer verkehrspolitischer Erkenntnisse. Nur der emissionsfreie Antriebsstrang muss noch den herkömmlichen Verbrenner ersetzen, dann ist das Optimum aus automobilem Freiheitsdrang und ei-ner nachhaltig sauberen Autowelt erreicht.

 

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