Energiewende: Was die nächste Bundesregierung dringend anpacken muss | #HBEnergie-Expertenbeitrag von Stefan Kapferer

Titelbild Expertenbeitrag: Energiewende: Was die nächste Bundesregierung dringend anpacken muss

Die nächste Bundesregierung muss wichtige Entscheidungen treffen, um den Energiemarkt zukunftsfähig aufzustellen und den Klimaschutz voranzutreiben. Oberste Prämisse muss dabei sein, dass möglichst kosteneffiziente, pragmatische Lösungen zum Zuge kommen. Das entlastet nicht nur den Steuerzahler und stärkt den gesellschaftlichen Rückhalt für die Energiewende. Es fördert auch den Wettbewerb um innovative Technologien und damit den deutschen Erfindergeist. Im Übrigen ist die Energiewirtschaft die einzige im Klimaschutzplan 2050 der Bundesregierung adressierte Branche, die aus technologischer Sicht schon jetzt die Möglichkeit hat, ihr Ziel für 2030 zu erreichen. Es muss also nach der Bundestagswahl darum gehen, anzupacken und die Energie- und Klimapolitik zukunftsfest aufzustellen.

Klimaschutz im Wärme- und Verkehrssektor beherzt angehen

Derzeit gibt es eine intensive Debatte darüber, ob Deutschland seine Klimaschutzziele für 2020 überhaupt noch erreichen kann. Umso unverständlicher ist es, dass die CO2-Einsparpotenziale, die der Wärmemarkt bietet, bisher kaum genutzt werden. Bis 2020 ließen sich jedes Jahr bis zu 45 Millionen Tonnen CO2 einsparen, wenn zehn Millionen veraltete Heizkessel durch moderne Gastechnik ausgetauscht und dabei zehn Prozent Bio-Erdgas verwendet würde. Die nächste Bundesregierung sollte mit steuerlichen Anreizen zügig eine Modernisierungsoffensive in den deutschen Heizungskellern anschieben, anstatt den Verbrauchern weiter einen bunten Blumenstrauß an Fördermitteln unter die Nase zu halten, die viel zu bürokratisch sind und kaum Effekte zeigen. Ebenso eklatant, da es die Gesundheit der Bürger täglich und unmittelbar trifft, ist die bisher vertane Chance, im Verkehrsbereich eine signifikante Reduktion des CO2-Ausstoßes herbeizuführen. Dabei bieten gerade Erdgas-, Wasserstoff – und Elektromobilität eine breite Vielfalt, um schnell Fortschritte zu erzielen. Von der Zielmarke, bis 2020 eine Million Elektrofahrzeuge auf die Straße zu bringen, ist Deutschland meilenweit entfernt. Da hilft auch die Kaufprämie nicht weiter. Die nächste Regierung sollte daher klüger vorgehen: die Automobilkonzerne in die Pflicht nehmen, ambitionierte CO2-Grenzwerte für Autoflotten und Nutzfahrzeuge setzen, einen zügigen unbürokratischen Ausbau der öffentlichen Ladeinfrastruktur ermöglichen und ein Förderprogramm für private und gewerbliche Ladelösungen auflegen.

Zusammenspiel von erneuerbarer und konventioneller Erzeugung regeln

Die Erneuerbaren Energien decken schon über ein Drittel des Stromverbrauchs – auch im Wärme und Mobilitätsektor werden sie an Bedeutung gewinnen. Dabei werden sie immer effizienter, wie die jüngsten Ausschreibungen für Wind Offshore gezeigt haben. Das ist sehr erfreulich. Jedoch ist es noch ein weiter Weg, bis sie zur tragenden Säule der Energieversorgung werden können. Selbst Umweltverbände erkennen, dass Gaskraftwerke noch lange Zeit eine zentrale Rolle spielen werden, um die volatile Einspeisung der Erneuerbaren abzusichern. Wir erwarten daher von der Bundesregierung ein klares Signal für die Zukunft von Gas. Im Übrigen bin ich davon überzeugt, dass auch Kohlekraftwerke weiterhin als Backup gebraucht werden. Die Frage der Versorgungssicherheit über einen Kapazitätsmarkt bleibt weiterhin aktuell. Weitere Baustelle: Der Ausbau der Netzinfrastruktur muss dringend beschleunigt werden. Die Regierung sollte sich deshalb nicht auf Nebenschauplätze wie die Diskussion um „Mautgebühren“ für Bauern einlassen – das verzögert nur den Ausbau und treibt die Kosten in die Höhe.

Weichen für die Sektorkopplung stellen

Strom wird für unsere Gesellschaft immer wichtiger, vor allem wenn wir an die Sektorkopplung – also die Verknüpfung von Strom, Wärme und Mobilität – denken. Damit lässt sich die Energienutzung in der Industrie und den Privathaushalten flexibler, effizienter und nachhaltiger gestalten. Diese Potenziale lassen sich nur heben, wenn der Preis für das Produkt Strom konkurrenzfähig bleibt. Aber: 2017 müssen die Stromkunden allein für Steuern, Abgaben und Umlagen 35 Milliarden Euro zahlen. Die staatlichen Abgaben sind auf ein Rekordhoch geklettert und machen inzwischen mehr als die Hälfte des Strompreises aus. Dabei könnte die Politik den Strompreis durch zwei einfache aber effiziente Maßnahmen um fast 3,7 Cent pro Kilowattstunde senken: Erstens die Stromsteuer auf das zulässige Minimum herabsetzen. Zweitens die Entlastung stromintensiver Unternehmen von der EEG-Umlage über Steuern finanzieren, anstatt sie wie bisher den Endkunden in Rechnung zu stellen.

Über den Autor:

kapferer
Stefan Kapferer ist Vorsitzender der Hauptgeschäftsführung beim BDEW Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e.V.

Den Beitrag von Stefan Kapferer finden Sie auch in der August-Ausgabe des Handelsblatt Journal Energiewirtschaft, das Sie HIER gratis herunterladen können.

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