Elektrische Fahrzeuge als profitable Virtuelle Kraftwerke | #HBEnergie-Expertenbeitrag von Prof. Dr. Wolfgang Ketter

Ein Geschäftsmodell für Smart Cities

Heutzutage kann man in vielen Städten mit Hilfe von „Smart“ oder EC Karten einfach in ein städtisches Bus- oder U-Bahnnetz ein- oder auschecken ohne ein Ticket zu kaufen. Hier kann man die Anfänge einer „Smart City“ selbst erfahren. Smart Cities nutzen digitale Technologie, um die Bedürfnisse ihrer Nutzer mit der städtischen Infrastruktur zu verbinden, während sie sich großen sozialen Herausforderungen stellen, wie z.B. dem Wandel der Energiewirtschaft von fossilen Brennstoffen zu erneuerbarer Elektrizitätserzeugung.

Smart City Technologie könnte das alltägliche Leben von Europas wachsender urbanen Bevölkerung verbessern und gleichzeitig den Klimawandel bekämpfen. Daraus ergeben sich viele Vorteile für die Gesellschaft, aber auch für die Wirtschaft. Sie könnte nicht nur von der steigenden Effizienz der städtischen Infrastruktur, aber auch von den riesigen Datenmengen (Big Data), welche von Nachfrage, öffentlichem Verkehr, und Handys (Smartphones) stammt, profitieren.

Carsharing ist ein perfektes Beispiel dafür, wie man die Effizienz einer städtischen Infrastruktur verbessern kann, z.B. bessere Ausnutzung der Straßen- und Parkkapazitäten. Wenn es sich in diesem Fall um elektrische Fahrzeuge (EF) handelt, die mit erneuerbarer Energie aufgeladen werden, so können hieraus zusätzliche Beiträge zur Minderung von lokalen Emissionen von Treibhausgasen und anderen Schadstoffen resultieren. Moderne Carsharing Systeme arbeiten mit Online Portalen, wo man sich mit Hilfe einer Handy-App jederzeit ein Auto mieten kann. Eine Herausforderung sind die gewaltigen Datenmengen, die dabei entstehen.

Einen Anwendungsfall, den wir in unserer Forschung genauer untersucht haben beruht darauf, Batterien von EF in sogenannte „Virtuelle Kraftwerke“ (VKW) zusammenzuschließen. Zusammen mit Micha Kahlen von der Rotterdam School of Management, haben wir „smarte“ Algorithmen zur Echtzeit-Steuerung der aggregierten Batterien entwickelt. Hiermit verfolgen wir ein doppeltes Ziel: a) eine Minimierung der Ladekosten und b) effektive Nutzung der Speicherkapazität zu werthaltigen intertemporalen Trades im Großhandels- und im Regelmarkt.

Dies ist ein sehr komplexes Steuerproblem, da mit zunehmendem Anteil von wetterabhängigen erneuerbaren Energien große Schwankungen hinsichtlich der Quantität und daher des Preises am Markt herrschen. Dies ist aber eine große Herausforderung, denn es muss immer ein Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage am Markt herrschen, um nicht einen Stromausfall zu verursachen. Hierbei ist es sehr wichtig die großen auftretenden Datenmengen effektiv zu verarbeiten, um z.B. Wettervorhersagen effizient zu nutzen, um gute Schätzungen hinsichtlich der generieten Elektrizität via Solar- oder Windkraftanlagen und das Nutzungsverhalten der EF abzugeben etc.

Falls es doch zu einem Ungleichgewicht im Markt kommt, können VKW dabei helfen, schnell ein Gleichgewicht herzustellen, da elektrische Batterien „relativ“ schnell geladen und entladen werden können. Diese VKW liefern nicht nur einen sehr nützlichen Beitrag zur Gesellschaft, d.h. Gleichgewichtung im Netz, sie können auch sehr profitabel für die Autohersteller oder andere Betreiber, wie z.B. Uber oder Lyft, sein. Prinzipiell können VKW mit verschiedenen Speicherarten hergestellt werden.

Wir haben uns entschieden, unsere Forschung mit EF zu starten, weil diese im Einzelfall mehr als 95% geparkt sind und nicht von ihren Besitzern genutzt werden. In diesem Fall kann man neue Geschäftsmodelle entwickeln, welche die Batterien sinnvoll nutzen, auch wenn das Auto still steht. Das Prinzip ist einfach: Kaufe Energie ein, wenn sie günstig ist und lade die Batterien damit auf, um dann aufgeladen die EF zu vermieten oder, wenn die Preise hoch sind, die Energie wieder am Markt zu verkaufen (der letztere Fall tritt zurzeit aufgrund der hohen Batterieabnutzungskosten selten auf ). Dieses Model kann besonders nützlich in der Zukunft sein, wenn es aufgrund steigender Anzahl von EF zu einer Verknappung der Energie im Verteilnetz kommen kann. In diesem Fall kann man mit VKW eventuell vermeiden, dass der lokale Verteilnetzausbau weiter ausgebaut werden muss. Dies setzt wiederum voraus, dass ein richtiges „Smart Grid“ vorhanden ist. Wir haben ein analytisches Modell zur Regelung von Carsharingflotten entwickelt.

Zur Validierung des Modells wird eine ereignisorientierte Simulations-Plattform entwickelt. Diese Simulation wird gestützt durch Big Data, wie z.B. die Standortdaten, Vermietungs- und Ladetransaktionen von 1.500 Elektrofahrzeugen der Carsharingdienste Car2Go (Daimler) und DriveNow (BMW) über einen Zeitraum von mehreren Jahren. In unseren Experimenten haben wir uns auf Amsterdam (Niederlande), Kopenhagen (Dänemark), San Diego (USA) und Stuttgart konzentriert, um das Modell unter den verschiedensten Bedingungen zu untersuchen. Hierzu zählen der Anteil erneuerbarer Energien, Ladeinfrastrukturdichte, Batterietechnologie und Vermietungsnachfrage auf die Wirtschaftlichkeit für Carsharingflotten. Des Weiteren haben wir die Entwicklung der Batteriepreise von 2015, 2020, und 2025 in unsere Berechnungen miteinbezogen. Es wird gezeigt, dass Virtuelle Kraftwerke aus den Batterien der Elektrofahrzeuge nachhaltige Einnahmequellen für Carsharingflotten schaffen, ohne das Vermietungsgeschäft zu gefährden (bis zu 9% extra Profit).

Eines sollte man dabei immer Bedenken: Es ist immer profitabler ein Auto zu vermieten, als es als Energiespeicher zu nutzen. Dabei sollte man auch die eigentlichen Kunden eines Carsharing Services im Auge behalten, denn wenn erst einmal ein Auto in einem VKW eingebunden ist, kann es für einen gewissen Zeitraum nicht benutzt werden und das wird, wenn dies oft vorkommt, zwangsläufig schlechte Auswirkungen auf das Hauptgeschäft haben. Dies sollte unter allen Umständen vermieden werden. Abschließend kann man sagen, dass Speicherelemente als „Rosettastein“ in einer stark erneuerbaren Energielandschaft angesehen werden können; hier spielen Fahrzeugbatterien eine entscheidende Rolle.

Über den Autor:

Prof. Dr. Wolfgang Ketter ist Direktor am ewi Energiewirtschaftliches Institut an der Universität zu Köln.

Den Beitrag von von Prof. Dr. Wolfgang Ketter finden Sie auch in der August-Ausgabe des Handelsblatt Journal Energiewirtschaft, das Sie HIER gratis herunterladen können.

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