Bei der Digitalisierung gibt es keine „One Size Fits All-Lösung“

Michael Lucke

#hbenergie-Experteninterview mit Michael Lucke (Allgäuer Überlandwerk)

„Es gibt nicht »das« digitale Geschäftsmodell für Energieversorger“, sagt Michael Lucke, Geschäftsführer der Allgäuer Überlandwerk GmbH und erklärt warum die Digitalisierung zwar die Probabilität von Energieunternehmen steigern kann, aber nicht der große Game-Chancer ist, wie in anderen Branchen.

Herr Lucke, was heißt Digitalisierung für das Allgäuer Überlandwerk?

  1. Digitalisierung heißt in erster Linie die IT-gestützte Automatisierung von Geschäftsprozessen.
  2. Durch Digitalisierung können bestehende Geschäftsideen in wirtschaftliche Geschäftsmodelle transferiert werden.
  3. Digitalisierung ermöglicht die Entwicklung ganz neuer Geschäftsmodelle, die, durch den Einsatz digitaler Plattformen, Skalierung und Standardisierung, dem veränderten digitalen Nutzungsverhalten unserer Kunden gerecht werden.

Der erste Punkt dieser Definition lässt sich mit der Einführung des Faxgerätes vergleichen. Dieses hat die Geschäftsprozesse beschleunigt aber nicht grundsätzlich das „Geschäftsmodell Energieversorger“ verändert. Eine Vielzahl der Unternehmen in unserer Branche setzt auf Prozesse, bei denen Maschinen untereinander kommunizieren und der Mensch – unser Mitarbeiter – diese Prozesse steuert und kontrolliert. Ich glaube im Vergleich mit Europa und Amerika stehen wir bei dem Thema Digitalisierung gut da.

Der Blick auf unsere drei Wertschöpfungsstufen = d.h. (dezentrale) Erzeugung, Infrastruktur in der Regulierung und ein Commodity – sowie Dienstleistungsmarkt mit einer Vielzahl von Wettbewerbern – zwingt mich immer wieder dazu, Prozesseffizienz in den Mittelpunkt zu stellen. Digitalisierung hilft dabei, Verbesserungen in Qualität, Kosten und Zeit in diesem Bereich zu erzielen. Hierbei müssen wir uns auch im internationalen Vergleich nicht verstecken: Schaut man sich den US-Markt an, bieten wahrscheinlich nur Energieversorger in New York, Texas und Kalifornien eine ähnliche Innovationsvielfalt im Rahmen der Digitalisierung.

Welchen Einfluss hat die Digitalisierung auf ihr Geschäftsmodell?

Es gibt nicht „das“ digitale Geschäftsmodell für Energieversorger. Jedes Unternehmen ist gut beraten, ein „digitales Framework“ für das eigene Geschäftsmodell zu entwickeln und dieses auf einzelne Bereiche, wie Erzeugung, Infrastruktur, Handel und Vertrieb anzupassen. Wir alle haben uns schon seit geraumer Zeit mit der Frage auseinander – gesetzt: Wo steht die IT heute und welche IT-Unterstützung wünschen wir uns in den nächsten fünf Jahren und daraus eine IT-Roadmap erarbeitet. Konkret lässt sich sagen:

»Die Digitalisierung hilft uns Geschäftsmodelle besser zu machen und verspricht mehr Profitabilität.«

Welche Bedeutung messen Sie der Digitalisierung für das Allgäuer Überlandwerk zu?
Jedes unserer strategischen Ziele setzt sich auch mit digitalen Handlungsfeldern auseinander. Das ist aber im Grundsatz nicht neu, weil wir auch vorher mit IT-gestützten Prozessen, wie z.B. elektronischen Bestell- verfahren oder Geoinformationssystemen gearbeitet haben. Natürlich lassen sich durch digitale Technologien auch leichter neue Geschäftsmodelle entwickeln. Ein webbasierter Solarkataster wäre vor zehn Jahren noch nicht möglich gewesen. Aber verkaufen wir dadurch deutlich mehr PV-Dächer über ein Solar-Contracting? Natürlich ist es spannend ein wenig zu träumen, die neuen digitalen Geschäftsmöglichkeiten vorzudenken, umzusetzen und vielleicht dann erfolgreich im Markt einzuführen. Aber durch eine reine Digitalisierung werden wir die Ergebniserwartung unserer Gesellschafter leider nicht erfüllen können.

Welche Prozesse digitalisieren Sie und welche Vorteile versprechen Sie sich davon?
Wir schauen uns jeden Prozess an und prüfen die jeweiligen Systemanforderungen. Das reicht vom Vertrieb und der Akquisition, über die Rechnungsstellung und die Kundenbetreuungsprozesse, bis hin zur der Technik im Workforce-Management, im Einkauf, im elektronischen Bestellwesen und der elektronischen Rechnungsprüfung sowie im Personalwesen. Diese Liste ließe sich ohne Probleme fortsetzen… Wir sind nicht einzigartig in der Energieversorgung. Wir machen einfach nur unsere Hausaufgaben, um mit weniger Menschen, mehr Geschäftsvorfälle zu bearbeiten und damit unsere Profitabilität zu steigern oder zu halten. Die Digitalisierung ist schlussendlich für uns Mittel zum Zweck. Mit Blick auf unsere Wertschöpfungsstufen sehen wir die Digitalisierung in der Energiewirtschaft nicht als den großen „Game Changer“, wie es in anderen Branchen vielleicht der Fall ist. Wir werden immer eine Form von Infrastrukturgeschäft haben. Wir werden auch immer Strom erzeugen; ob regenerativ oder noch fossil. Aber wir werden auch digitale Plattformen bieten. Diese dann aber nur in Kooperation.


Zur Person:

Michael Lucke ist Geschäftsführer der Allgäuer Überlandwerk GmbH (AÜW). Das Unternehmen versorgt über 95.000 Kunden mit Strom und Dienstleistungen und beschäftigt ca. 300 Mitarbeiter.

Das Interview mit Michael Lucke finden Sie, neben vielen weiteren aktuellen Top-Themen der Energiebranche auch in unserem interaktiven Magazin „Schnittstelle Energie“.

Energiewirtschaft 2017 – Diskutieren Sie mit!

Diskutieren Sie im Rahmen der 24. Handelsblatt Jahrestagung Energiewirtschaft (24. bis 26. Januar 2017, Berlin) mit Michael Lucke und anderen hochrangigen Energieexperten über das Trendthema Digitalisierung der Energiewirtschaft. Alle Details zu Veranstaltung finden Sie im aktuellen Programm.

Energiewirtschaft 2017 – jetzt anmelden!
Tags: ,