Die europäische Gigafactory kommt

Bei den vielschichtigen Diskussionen um die Transformation der Mobilität wird ein Faktor gern als gegeben hingenommen: die Versorgung mit Traktionsbatterien.

Wenn jedoch die Elektromobilität tatsächlich so rasant zulegt, wie es alle gängigen Szenarien ausmalen, dann muss sich auch bei der Produktion von Batteriezellen und Batterien sehr viel bewegen. „Die Elektromobilität wird kommen, die Roadmaps liegen vor. Viele Länder diskutieren ein Verbot von Verbrennungsmotoren“, skizziert Peter Carlsson (CEO, Northvolt AB) die Lage. Deshalb sieht der ehemalige Tesla-Manager einen exponentiell steigenden Bedarf an Energiespeichern: Werden heute rund fünf Gigawattstunden (GWh) Speicherkapazität in Europa benötigt, sind 2020 schon 76 GWh nötig. Mit dem Siegeszug elektrifizierter Antriebe sowie Speicherlösungen in Haushalten und Industrie benötigt allein die „alte Welt“ bereits im Jahr 2030 rund 416 GWh Batteriekapazität.

Carlssons Antwort auf diese Herausforderung verblüfft: eine Gigafactory in Europa statt in Fernost! Das von ihm und einem weiteren Ex-Tesla-Topmann gegründete Unternehmen Northvolt will in Skellefteå, etwa 800 Kilometer nördlich von Stockholm, Europas größte Fabrik für Lithium-Ionen-Zellen und Elektroauto-Batteriepacks bauen. Die Dimensionen: Auf 500.000 Quadratmetern werden 2.500 Beschäftigte ab 2020 die Batterieproduktion starten. 2023 erreicht die Fabrik ihre volle Kapazität mit einem jährlichen Output von 32 GWh. Zum Vergleich: Teslas Gigafactory in Nevada soll ab 2020 Akkus im Umfang von 35 GWh pro Jahr produzieren. Hauptabnehmer der hochqualitativen, skalierbaren Batteriepacks soll die Automobilindustrie sein. Ein Output von 32 GWh entspricht etwa 640.000 Autos mit einer 50-Kilowattstunden-Batterie – nach heutigen Maßstäben eine Menge, mittelfristig ein Tropfen auf den heißen Stein, wie Carlsson betont. Er sieht auf lange Sicht einen globalen Markt für 100 bis 150 Fabriken dieser Größe. Allein in China seien 40 bis 50 Gigafactories nötig, um den dortigen Bedarf zu decken.

Warum aber fertigt Northvolt in Schweden? „Europa muss seine eigene Supply Chain aufbauen“, lautet Carlssons Credo. Weitere Gründe für die Standortwahl sind die Verfügbarkeit einiger wichtiger Mineralien sowie der hohe Anteil der erneuerbaren Energien an Skandinaviens Stromerzeugung. Denn um 1 kWh Batteriekapazität zu erzeugen, ist das 60- bis 80-Fache dieser Energie erforderlich. „Dank erneuerbarer Energien wie Wasserkraft werden wir die grünste Batterie der Welt bauen“, verspricht der Northvolt-Gründer. Auch das Recycling der Batterien ist eine wesentliche Säule des Northvolt-Konzepts. „Wir kehren den Herstellungsprozess um“, so Carlsson. Um die Wettbewerbsfähigkeit der Akkus made in Sweden macht er sich keine Sorgen: „Die Total Cost of Ownership werden gegenüber Fahrzeugen mit fossilen Brennstoffen massiv sinken“, ist Carlsson überzeugt.


Backstage-Report zum Handelsblatt Auto-Gipfel 2017

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