Die Automobilindustrie bleibt Wachstumsbranche

Noch nie war die Zukunft der Automobilindustrie so spannend wie heute. Denn die individuelle Mobilität ändert sich in den nächsten zehn Jahren stärker als in den 50 Jahren davor.

Wir alle konnten das vor kurzem auf der der IAA in Frankfurt erleben. Sie zeigte mit 1.000 Austellern und 228 Weltpremieren die ganze Innovations-Bandbreite zur Mobilität, von der Digitalisierung über die Elektromobilität bis hin zu neuen Mobilitätskonzepten in Städten. Es herrscht Aufbruchsstimmung: Allein die deutschen Hersteller haben auf der IAA mit über 150 E-Modellen eine Offensive für emissionsfreie und klimaneutrale Autos für die kommenden Jahre gestartet.

Die Digitalisierung ist – neben der Elektromobilität – der zweite Megatrend, der der Branche völlig neue Perspektiven eröffnet. Sie bringt neue Player ins Spiel. Mit der New Mobility World haben wir auf der IAA ein zusätzliches Format geschaffen und gezielt Innovatoren aller Branchen zusammengeführt, die neue Lösungen, Technologien und Produkte für die Mobilität von morgen entwickeln. Die größten IT- und Tech-Firmen – z. B. Facebook, Google, SAP und Qualcomm – waren vertreten.

Während etwa in den USA die IT- und die Auto-Welt noch getrennt auftreten – siehe die CES in Las Vegas und wenige Tage später die klassische Detroit Motor Show – haben wir als IAA-Veranstalter von Anfang an einen integrierten Ansatz verfolgt und diesen konsequent umgesetzt. Hier wächst zusammen, was zusammengehört.

Bis zum Jahr 2020 investiert die deutsche Automobilindustrie rund 40 Milliarden Euro in alternative Antriebe. Bereits heute steigt die Nachfrage nach E-Autos viel schneller als der Pkw-Gesamtmarkt. Im bisherigen Jahresverlauf hat sich der Absatz von Elektro-Fahrzeugen mehr als verdoppelt, im August hat er sich nahezu verdreifacht.

Die deutsche Automobilindustrie hat bei der Elektromobilität eine starke Marktposition. In Deutschland ist unser Marktanteil bei E-Autos in diesem Jahr auf 63 Prozent gestiegen, in Westeuropa hat er sich auf 52 Prozent erhöht. In Norwegen – dort ist jede dritte Pkw-Neuzulassung bereits ein E-Auto – haben wir 60 Prozent.

Die Digitalisierung bietet enorme Vorteile für Mensch, Umwelt und Gesellschaft.

Auch bei der Digitalisierung erhöhen wir das Tempo. Bis zum Jahr 2020 stecken wir 16 bis 18 Milliarden Euro in das vernetzte und automatisierte Fahren. Die Digitalisierung bietet enorme Vorteile für Mensch, Umwelt und Gesellschaft. Denn mit dem vernetzten und automatisierten Fahren gehen die Unfallzahlen massiv zurück, die Fahrzeuge werden noch sicherer, intelligenter, komfortabler und effizienter.

Die deutschen Unternehmen haben auch auf diesem Feld eine sehr gute Position. Laut einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft entfallen 52 Prozent der weltweit angemeldeten Patente zum autonomen Fahren auf Unternehmen der deutschen Automobilindustrie. Unter den Top 10 sind sechs Unternehmen aus Deutschland.

Damit nicht genug. Die deutschen Automobilhersteller und Zulieferer leisten 35 Prozent der gesamten deutschen FuE-Investitionen. Das sind jährlich etwa 40 Milliarden Euro. Wir sind damit auch international Spitzenreiter. Wenn wir diese Innovationsgeschwindigkeit beibehalten, sind das gute Voraussetzungen, um auch künftig ganz vorn im weltweiten Wettbewerb mitspielen zu können.

Notwendig ist aber auch, und dieser Hinweis richtet sich an die Politik, dass wir in einer hektischen Welt „Maß und Mitte“ finden. Deshalb wenden wir uns gegen jedes ideologisch motivierte „Ausstiegsdatum“ für den Verbrennungsmotor. Gerade weil wir den Weg zur Elektromobilität ebnen und die Investitionen hierfür erst erwirtschaften müssen, brauchen wir noch für Jahrzehnte effiziente herkömmliche Antriebe.

Trotz der aktuellen Diskussion: Der Diesel hat, in seiner modernsten Ausprägung, noch viele Jahre eine Zukunft, auch der Benziner wird benötigt. Mit CO2-neutralen Kraftstoffen könnte es für diese Antriebsarten sogar einen „zweiten Frühling“ geben. Die Technologie hierfür ist vorhanden, die Kosten für diesen Kraftstoff werden in den nächsten Jahren voraussichtlich sinken.

Der technische Fortschritt ist ein nach vorne offener „Suchprozess“, die besten Ingenieure tüfteln daran. Wir brauchen daher innovationsfreundliche Rahmenbedingungen und vor allem Technologieoffenheit.

Die Elektromobilität kommt, aber es gilt, noch einige Hürden überwinden, etwa den Ausbau der Ladeinfrastruktur in Deutschland und Europa. Eines bleibt: Die Menschen wollen individuelle Mobilität, in Deutschland, in Europa, weltweit. Das heißt: Die Automobilindustrie bleibt Wachstumsbranche, aber sie verändert sich schneller als je zuvor.

Matthias WissmannMatthias Wissmann
Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA)

 

 

Dieser Beitrag ist Teil der Ausgabe des Handelsblatt Journals „Transformation now! – Die Zukunft der Automobilindustrie“, das Sie hier erhalten können.